Weniger Totgeburten im Abferkelstall


ferkelEine hohe Anzahl von lebend geborenen Ferkeln stellt den Grundstein für den Aufzuchterfolg und die Wirtschaftlichkeit der Sauenhaltung dar. Die teilweise angestiegene Totgeburtenrate gibt Anlass zur Aufklärung. Johannes Hilgers, Schweinevermarktung Rheinland w. V., beschreibt, wie sich die bestehenden Schwachstellen im Herden- und Abferkelmanagement abstellen lassen.

In der Ferkelerzeugung bildet die Wurfgröße den Ausgangspunkt für den erreichbaren Produktionserfolg. Wo die Geburtsleistungen der Sauen exakt erfasst und dokumentiert werden, erfolgt eine Unterscheidung von insgesamt geborenen, tot geborenen sowie lebend geborenen Ferkeln je Wurf. Neugeborene, die tot, lebensschwach oder nicht aufzuchtfähig zur Welt kommen, schmälern von vornherein die mögliche Anzahl der abgesetzten Ferkel. In gesunden Sauenbeständen mit guter Herdenführung und hoher Betreuungsintensität erreicht die Totgeburtenrate 8 % bei Altsauen und 7 % bei Jungsauen.
Nach Auswertung des Rheinischen Erzeugerrings für Qualitätsferkel e. V. setzten sich im Wirtschaftsjahr 2014/15 die Gesamtverluste von der Geburt bis zum Absetzen aus 8,4 % tot geborenen Ferkeln sowie den Saugferkelverlusten in Höhe von 13,7 % zusammen. Die Totgeburtenrate war dort am höchsten, wo auch die Ferkelverluste während der Säugezeit über dem Durchschnitt lagen und die Herdenleistung, also die Anzahl abgesetzter Ferkel je Sau und Jahr, den geringsten Wert erreichte.

Die Ursachen für eine erhöhte Totgeburtenrate im Abferkelstall können sehr mannigfaltig sein. Sie können infektiöser oder nicht infektiöser Natur sein. Tot geborene Ferkel fallen meistens einzeln an. Seltener ist der gesamte Wurf betroffen. Tote Ferkel können normal entwickelt, aber auch untergewichtig, mumifiziert (eingetrocknet) oder mazeriert (fermentativ zersetzt) sein. Sie können vor, während oder unmittelbar nach der Geburt verendet sein. Bei etwa 90 % der Totgeburten tritt der Tod der Ferkel erst während der Geburt ein, zumeist im letzten Geburtsdrittel. Äußerlich sind tot geborene Ferkel häufig mit Darmpech beschmiert.

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Ursachen analysieren
Unter den Infektionskrankheiten, die auch die Wurfleistungen beeinträchtigen können, spielt das SMEDI-Syndrom eine große Rolle. Es wird durch die weitverbreiteten Porcinen Parvoviren mitbedingt. Das Kunstwort SMEDI charakterisiert mit seinen Anfangsbuchstaben die auftretenden Fortpflanzungsstörungen:
S = stillbirth (Totgeburt)
M = mumification (Mumifizierung: abgestorbene, eingetrocknete Früchte)
ED = embryonic death (Embryonaltod, tote Früchte)
I = infertility (Unfruchtbarkeit, insbesondere Umrauschen, Nichtträchtigkeit)
Wenn sich die nicht geschützten graviden Sauen zwischen dem 36. und 65. Trächtigkeitstag mit Parvoviren infizieren, dann sterben unter Umständen alle Feten ab. Es kommt dann zu verlängerten Tragezeiten über den physiologischen Termin. Sind nur einige Feten betroffen, werden zwischen dem 116. und 118. Tag sowohl gesunde als auch Mumien, lebensschwache und tote Ferkel geboren. Bei derartigen Befunden ist mit dem Betreuungstierarzt darüber zu beraten, ob die durchgeführten immunprophylaktischen Maßnahmen stimmen. Die Parvovirose lässt sich mittels geeigneter und vielerorts praxisbewährter Schutzimpfungen in den Griff bekommen.

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Nicht infektiöse Ursachen
Für das Absterben der Früchte und die Ferkelverluste im geburtsnahen Zeitraum sind als nichtinfektiöse Ursachen vornehmlich die folgenden Faktoren in Betracht zu ziehen:

  • Zu späte Umstellung in den Abferkelstall
  • Fütterungsfehler in der Trächtigkeit und Mastkonstitution der Partustiere
  • zu hohe Umgebungstemperaturen und/oder Tag-Nacht-Schwankungen (Minimum-Maximum-Thermometer) im Wartestall während der Hochträchtigkeit
  • unzureichende oder gänzlich fehlende Überwachung der Geburten, sodass die gebärenden Sauen praktisch sich selbst überlassen bleiben
  • Sauerstoffmangel der Ferkel während der Austreibungsphase, bedingt durch Geburtsverzögerungen, zu frühes Abreißen der Nabelschnur oder ein frühzeitiges Ablösen der Plazenta
  • Störungen im Geburtsverlauf, zum Beispiel Wehenschwäche durch Oxytocinmangel oder nicht ausreichende Calciumversorgung im Blut, Geburtshindernisse, fehlerhafte manuelle Eingriffe, nicht einkehrende Geburtsruhe im Abferkelabteil, Geburtshysterie

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Calcium-Versorgung
Im Rahmen der Mineralstoffversorgung der tragenden und gebärenden Sauen spielt das Mengenelement Calcium (Ca) eine wichtige Rolle. Es gilt, sowohl eine Unterversorgung als auch eine zu reichliche Versorgung während der Trächtigkeit – insbesondere der hochtragenden Sauen – zu vermeiden. Letztere leistet Regulationsstörungen des Mineralstoffwechsels Vorschub. Dazu zählen eine ungenügende Freisetzung von Ca++-Ionen bei Partussauen Wehenschwäche, verminderte Ansprechbarkeit auf Oxytocin-Präparaten, verlängerte Geburtsdauer und steigende Zahl tot geborener Ferkel. Im Alleinfutter für tragende Sauen ist ein Ca-Gehalt von 0,6 % bedarfsdeckend. In der Praxis kommen nicht selten höhere Gehalte vor, sowohl im industriell gefertigten Mischfutter als auch bei Eigenmischern. Darauf reagieren insbesondere Sauen mit höherer Wurfnummer mit längeren Austreibungsphasen, kompletter Erschöpfung, weniger vitalen Ferkel und geringerer Milchleistung.
Aus der tierärztlichen Bestandsbetreuung stammt folgender Therapievorschlag: Durch die rechtzeitige subkutane Injektion von Calciumborogluconat (50 ml) zwölf bis 24 Stunden vor dem errechneten Geburtstermin kann dieser Sachverhalt weitestgehend behoben werden. Die Wurfnummer, ab welcher den Partussauen Ca injiziert wird, wird mit dem Landwirt betriebsindividuell anhand des Auftretens der Symptome festgelegt.
Für die partielle Auslösung der Geburten bei jenen Sauen, die über das betriebliche Mittel der spontanen Abferkelungen hinausgehen, gilt: Frühestens die biotechnische Induktion vornehmen, wenn bereits 50 % der Tiere einer Abferkeleinheit Geburtseintritte hatten.
Die entscheidende physiologische Reaktion bei der Kontraktion dient der Umwandlung chemischer Energie in mechanische Arbeit. Dabei wirken Calciumionen als wichtiges Signal. Sind zu wenige davon im Blut, weil die in der Trächtigkeit überversorgte Sau das überreichlich gespeicherte Calcium nicht zu mobilisieren vermag, kommt es zur Hypocalcämie. Die Folgen äußern sich in Wehenschwäche und schleppendem Geburtsverlauf. Auch exogen zugeführte Oxytocinpräparate bleiben hier wirkungslos. Unter den tierbezogenen Einflussfaktoren auf die Totgeburtenrate spielen das Alter (Wurfnummer), die Zuchtkondition und Uteruskapazität, also die Länge und Breite des Beckens sowie der Rahmen, eine Rolle.

Zahlen aus der Praxis
Die Grafik auf Seite 49 zeigt den Einfluss der Wurfnummer auf die Totgeburten bei 55 353 registrierten Würfen. Eine Analyse der Wurfleistungen in den rheinischen Betrieben zeigt einen Anteil von 9 % tot geborener Ferkel. Dieser stieg mit zunehmender Wurfnummer (WN) von 7,5 % (WN 1) über 14,2 % (WN 9) auf fast 15 % (WN 11 ) an. Vielfach haben auch sehr große oder sehr kleine Würfe einen erhöhten Anteil an tot geborenen Ferkeln. Es besteht ein Zusammenhang zu einer verkürzten Tragezeit unter 112 Tagen als auch zur Übertragung mit mehr als 118 Tagen. Bei beiden steigt häufig der Totgeburtenanteil überdurchschnittlich an.
Die hochtragenden Sauen sollen bedarfsgerecht und fütterungshygienisch einwandfrei so ernährt werden, dass sie mit „normgemäßer Lebendmasse“ gemäß Tabelle 3 zur Abferkelung gelangen.
Um den Geburtsablauf nicht durch einen prallgefüllten Darm zu erschweren und Verstopfungen zu vermeiden, die nicht nur Totgeburten und Puerperalerkrankungen zur Folge haben können, bedarf es insbesondere im geburtsnahen Zeitraum der Partussauen einer ausreichenden Versorgung mit Rohfaser. Das gilt auch für die vorangegangenen Trächtigkeitsabschnitte. Als Anhaltspunkte gelten die Forderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung: Mindestgehalt aus Rohfaser von 8 % in der Trockenmasse im Trächtigkeitsfutter resp. 200 g Rohfaseraufnahme je Sau und Tag. Die durch quellfähige Substanzen im Futter erreichte Beschleunigung der Darmpassage hat neben anderen positiven Wirkungen einen senkenden Einfluss auf die Totgeburtenquote und fördert das Wohlbefinden der Sauen.
Die mittlere Seitenspeckdicke sollte am Ende der Tragezeit bei 22 mm liegen und die Körperfettmenge 30 bis 33 kg betragen. Die Einstallung in das Abferkelabteil soll spätestens fünf Tage vor der Geburt erfolgen.

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Geburtenüberwachung absichern
Die wichtigste Maßnahme zur Verringerung und Verhütung von Totgeburten ist eine durchgängige und fachgerechte Überwachung der Abferkelungen mit eingeschlossener Intensivbetreuung von Partussauen und Neugeborenen. Hierdurch lässt sich der Anteil tot geborener sowie in den ersten Lebensstunden erdrückter oder verendeter Ferkel nachweislich reduzieren.
Mittels geburtssteuernder Maßnahmen lassen sich überlange Tragezeiten der Sauen sicher ausschließen, die Abferkelperioden terminlich konzentrieren und die Geburten in gewissem Umfang auf gewünschte Tageszeiten lenken. Vielerorts hat die partielle Geburtensynchronisation Eingang in das Herdenmanagement gefunden. Dabei werden die spontanen Geburten bis zu einer physiologischen Trächtigkeitsdauer von mindestens 115 Tagen abgewartet. Nur bei Sauen mit bis dahin ausstehendem Geburtsbeginn erfolgt eine geburtsauslösende Injektion.
Erfolgt die Geburtsauslösung bereits vor dem 114. Trächtigkeitstag, dann ist das vorgeburtliche Wachstum der Ferkel noch nicht abgeschlossen und die Folge sind Neugeborene mit eingeschränkter Aufzuchtfähigkeit. Dies betrifft sowohl das Geburtsgewicht der Ferkel als auch deren Vitalität und das Verlustgeschehen im Abferkelstall.
Der physiologische Geburtsablauf wird durch Unruhe und Stresszustände verzögert und gestört. Als optimal werden etwa 180 Minuten von der Austreibung des ersten bis letzten Ferkels eines Wurfes angesehen. Dabei werden die 14 Ferkel eines Durchschnittswurfes in Abständen von unter zehn bis 20 Minuten geboren. Die Pausen zwischen erstem und zweitem sowie den letzten Ferkeln sind häufig etwas länger. Etwa zwei Drittel der toten Ferkel werden im letzten Drittel des Geburtsvorganges geboren. Bei den modernen Sauen, die natürlicherweise eine längere Tragezeit aufweisen, muss sich letztere danach richten und später erfolgen, nämlich dann, wenn die Hälfte der Abferkelgruppe spontane Geburtseintritte hatte.
Bei vermehrtem Auftreten von zeitlich zu langen Geburten oder von Wehenschwäche kann im letzten Geburtsdrittel ein wehenförderndes Mittel injiziert werden. Dies ist jedoch nur zulässig, wenn ein freier Geburtsweg gesichert ist, das heißt, dass kein mechanisches Geburtshindernis vorliegt.
Die Oxytocininjektion führt bei Überdosierung zum Geburtsstillstand durch Uteruskrampf. Die medikamentelle Wehenanregung kann durch die einmalige intramuskuläre Injektion von Depotoxytocin (niedrig dosiert: maximal 70 μg des Wirkstoffes Carbetocin; nach Praxisberichten genügt bereits weniger) anhaltender und zuverlässiger als durch Oxytocin erzielt werden. Das hängt mit der verlängerten Halbwertzeit und dem physiologischen Wirkungsmechanismus des Carbetocins zusammen.

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Fazit
Die auf die beschriebene Weise erreichbare Verkürzung der Geburtsdauer trägt dazu bei, Totgeburten einzuschränken, die Anzahl der lebend geborenen Ferkel zu erhöhen und damit den Betriebserfolg zu steigern. Ein geringer Prozentsatz an Totgeburten und Ferkelverlusten, die durch Gesundheitsstörungen verursacht werden, wird wahrscheinlich unvermeidbar bleiben und muss als wirtschaftliche Einbuße einkalkuliert werden. Umso wichtiger ist die konsequente Umsetzung des Machbaren in tiergerechten Haltungsverfahren mittels geeigneter Maßnahmen des Gesundheits- und Herdenmanagements.

Quelle: LZ Rheinland 14/2016 S.49-51