Die Corona-Pandemie hat viele Arbeitsabläufe verändert, davon betroffen sind auch die Beratungsorganisationen in der Landwirtschaft. Der Rheinische Erzeugerring für Mastschweine (REMS) mit Sitz in Sonsbeck am Niederrhein hat Schweinehalter in einer Telefonkonferenz zusammengeschaltet und organisiert so den Austausch. Uwe Behnke aus Goch-Nierswalde, Gregor Hammans aus Kerken und Peter Mertens aus Geilenkirchen berichten, wie sie in ihren Betriebsabläufen von der Beratung profitieren. REMS-Berater Johannes Hilgers liefert Einblicke in die aktuelle Arbeit.
LZ: Herr Hilgers, bevor wir auf die Arbeit im Erzeugerring näher eingehen, eine Frage vorab: Wo sehen Sie die Fleischerzeuger in der gegenwärtigen Lage, eher auf Seiten einer offenen Diskussion oder im Würgegriff von Verschwörungstheorien?
J.Hilgers: Wir stehen wir für die offene Diskussion, sind aber auch kritisch und ergebnisorientiert. Unsere Vorschläge sind begründet und lassen sich auch in der Praxis erprobt nachweisen.
LZ: Und wie zeigt sich diese Haltung in der Arbeit des REMS?
J.Hilgers: Unsere Erzeugergemeinschaft organisiert die Interessen unserer mittelständischen Mitglieder und bemüht sich, laufende Arbeitsprozesse zu hinterfragen, zu optimieren und neuen Herausforderungen anzupassen. Wir wollen zugleich eine Serviceplattform sein, nationale und internationale Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis für unsere Betriebe verfügbar machen. Ebenso stellen wie die Erfahrungen, die in unseren Betrieben erarbeitet wurden, einem breiteren Anwenderkreis zur Verfügung.
LZ: Und was bieten Sie da gegenwärtig besonders an?
J.Hilgers: Unsere Landwirte können sich in Arbeitskreisen engagieren. So bieten wir im Rheinland die Mitarbeit in zwei Intensivarbeitskreisen an, die nicht nur ‚Fit für die erste Liga‘ machen, sondern die Betriebe möglichst in die ‚Champions League‘ führen sollen.
LZ: Was bringt diese freiwillige Mitarbeit den Landwirten? Dazu fragen wir jetzt Uwe Behnke als einen der Teilnehmer dieses Intensivarbeitskreises. Könnten Sie eingangs kurz etwas zu Ihrem Betrieb sagen?
U.Behnke: Mein Familienbetrieb liegt in Goch- Nierswalde und bewirtschafte mit meinem Sohn e52 ha und habe 1400 Mastschweine im Stall. – Und zu Ihrer Ausgangsfrage: Wer mit Tieren arbeitet, muss bereit sein, Tag für Tag dazu lernen! Man muss jede Gelegenheit nutzen, sich auf dem Laufenden zu halten. Etwa im Gespräch mit Kollegen oder Beratern unterschiedlichster Ausrichtung, ob Landwirtschaftskammer oder Industrie und Handel. Und dazu gehört für uns vorrangig auch der Intensivarbeitskreis, in dem wir uns zweimal im Jahr nach Abschluss der Halbjahresauswertungen treffen. Jede Tagung beginnt auf einem unserer Betriebe mit einem Stallrundgang, anschließend werden die Daten in geselligem geschütztem Rahmen besprochen. Es geht um eine positive Betriebszweigauswertung im Vergleich mit bestehenden Möglichkeiten, die durchaus zu Veränderungen im Betriebsmanagement führen können, wenn der Betriebsleiter davon überzeugt ist und es für machbar hält.
LZ: Was sind das für Daten, mit denen ja sensibel und vertrauensvoll umgegangen werden muss? Dazu fragen wir Gregor Hammans, der seit vielen Jahren im Abeitskreis beigetreten ist.
G.Hammans.: Mein Familienbetrieb liegt Kerken Niederrhein. Dort bewirtschafte ich 50 ha und habe 1800 Mastschweine im Stall. – Bei mir hat der letzte Besuch des Intensivarbeitskreises stattgefunden. Was ich von Kollegen erfahren habe, hat mich überzeugt, dem Arbeitskreis beizutreten. Denn der Mehraufwand wird durch den „Mehrertrag“ aus dem Arbeitskreis um ein Vielfaches aufgewogen.
LZ: Und wie sieht dieser Mehraufwand zunächst aus?
G.Hammans: Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in der Intensivrunde ist zum einen, dass alle ökonomischen und biologischen Zahlen vorliegen und zweitens, dass man auch bereit ist, den Betrieb bei einem praktischen Stallrundgang den Kollegen vorzustellen. – Die Betriebe schicken dem REMS die Daten jedes Mastdurchgangs auf einem konzentrierten Erfassungsbogen zu oder geben die Daten selbst in den Mastplaner ein. Dann wird jeder Mastdurchgang ausgewertet. Diese Daten stellen bei dem Treffen einen vertikalen Vergleich dar und werden dann offen in der Runde analysiert und diskutiert.
LZ: Da geht es sicher nicht immer harmonisch zu, oder? Wie sehen Sie das, Herr Hilgers?
J.Hilgers: Nur eine faire, konstruktive und offene Diskussion bringt den Betrieb wirklich weiter. Und darum geht es ja! Diese Zahlen sind das Handwerkszeug, um über die gesamte Schweinemast zu sprechen. Wie fallen beispielsweise die Fütterungsergebnisse aus? Wie teuer war das Futter im Einkauf? Ist die Eigenmischung des Futters noch zeitgemäß? Ein Dauerthema: neue Erkenntnisse und Vorgaben des Umwelt- und Tierschutzes. So muss z.B. der Ammoniak-Ausstoss in der Schweineproduktion gesenkt werden. Oder es werden anhand der aktuellen Düngegesetzgebung Möglichkeiten und Grenzen einer proteinreduzierten Fütterung bei Mastschweinen an Hand der konkreten Betriebsdaten diskutiert. Nicht unerheblich sind auch wirtschaftliche Fragen, zum Beispiel zum Zukauf der Ferkel.
U.Behnke: Genau, denn es muss sich ja rechnen. Und Absatz ist nun mal kein individuelles Problem. Da kommt der Einsiedler, der nur seine eigenen Schweine kennt, nicht weit! Dabei dürfen Tierwohl und Tiergesundheit nicht auf der Strecke bleiben, sie gehören zu den wichtigsten Leistungsfaktoren.
LZ: Jetzt sind wir schon mitten drin in der engagierten Diskussion. Zeit, mit Peter Mertens einen weiteren Teilnehmer unserer Runde einzuführen.
P.Mertens: Mein Familienbetrieb liegt in Geilenkirchen-Lindern. Dort bewirtschafte ich 100 ha und habe 2500 Mastschweine im Stall. – Ich kann den Beitrag des Kollegen Behnke nur unterstreichen! Wer den Eindruck hat, nur noch der Arbeit wegen zu arbeiten, ist auf dem falschen Dampfer und verliert die Lust, sich zu engagieren. Daher brauchen wir immer wieder neue Ideen.
LZ: Welche Themen sind aus Ihrer Erfahrung dabei von besonderem Interesse für die Teilnehmer?
P.Mertens: Vor allem Fragen der Fütterung. Die Futterkosten machen schließlich 65% der variablen Kosten aus. So legen wir großen Wert auf eine Getreideuntersuchung – denn nur wenn man weiß, was im Getreide drin ist, kann eine optimale Ration berechnet werden. Sonst füttert man im Blindflug!
J.Hilgers: Wenn der Landwirt dies optimiert, um die Futterverwertung zu verbessern, sieht er das unmittelbar an seinem Betriebsergebnis. Ein Betriebsvergleich hilft dabei, das gewählte Betriebsmanagement einzuschätzen. Gehöre ich damit zum oberen oder unteren Viertel der Betriebe? Was hat den Unterschied ausgemacht? Das gehört zu den entscheidenden Fragen für die Betriebe.
G.Hammans: Manchmal sind es die kleinen Dinge, die schon weiterhelfen, etwa bei der Optimierung der Futterrationen. Seit ich 3 % Trockenschnitzel in der Futterration einsetze, sind die Tiere viel ruhiger geworden. Ich denke, jeder, der weiterkommen möchte, ist mehr oder weniger darauf angewiesen, sich anderswo Anregungen zu holen. Dabei hilft es, offen zu zeigen, was man macht und dabei nichts schön zu reden. Es geht aber auch um das Bewusstsein eigener Stärken und das Eingeständnis eigener Schwächen. Und dafür ist der Intensivarbeitskreis ein geeigneter Ort.
LZ: Wie wirken sich denn die Erörterungen in Ihrem Arbeitskreis aus?
J.Hilgers: Wir stellen schlussendlich auch einen Betriebsvergleich an. Wie gut bin ich im Maskenschlupf? Was ist für mich die beste Vermarktungsstrategie? So konnten wir bei den zunächst scheinbar schlechtesten 25 % der Betriebe ein jährliches Optimierungspotenzial von etwa 15 000 € in der Schlachtschweinevermarktung aufdecken. Allerdings muss man sich in Acht nehmen, eine schematische Formel „hohe Leistung gleich niedrige Erzeugungskosten“ zum Dogma zu machen. In den Arbeitskreisen sind sehr unterschiedliche Betriebe vertreten. Im Durchschnitt beträgt etwa die Betriebsgröße an verkauften Mastschweinen 4000 Stück von Außenklimastall bis Sortierschleuse. Alle Betriebszweigauswertungen belegen, dass die Abweichungen im wirtschaftlichen Ergebnis je nach Betriebsstruktur beträchtlich sein können. Obwohl auf dem Papier die Voraussetzungen gleich sind, betragen die Unterschiede bis zu 50 Prozent. Daher hilft der REMS bei der sachlichen Einordnung. Nur wer seine realistischen Zahlen kennt, kann vernünftig analysieren, um seinen Betriebserfolg nachhaltig zu verbessern – und das ist das Ziel.
P.Mertens: Wichtig ist auch, gezielt Schwachstellen in der Produktion abzustellen. Ob es nun um das Tierwohl geht oder die Wahl des Zuchttieres, z.B. des Schwäbisch-Hällischen Schweines. Ansätze finden wir im Gespräch immer genug, ob es um die Genetik geht, Fütterung oder tiergerechte Haltung bis hin zur Optimierung der Tiergesundheit. Und immer wieder zeigt sich: Erfolg in der Schweinemast ist nicht eine Frage der Größe!
LZ: Wie werden die Ergebnisse von den Mitgliedern genutzt?
J.Hilgers: Oft sind die Ergebnisse der Intensivarbeitskreise Anlass für Veränderungen in den Betrieben. Erst in Vergleichen zeigen sich die eigenen Stärken oder Schwächen. Waren 800 g tägliche Zunahmen vor einigen Jahren noch sehr gut, gehört man heute mit solchen Zahlen schon zu den unteren 25 % der Betriebe. Der Arbeitskreis weitet daher den Blick über den eigenen Betrieb hinaus und schafft mehr Transparenz. Die Betriebe nutzen die Auswertungen oftmals in Verhandlungsgesprächen bei Lieferanten, Abnehmern oder als Controlling. Des Weiteren können die Betriebe bei einem Schadensfall den wirklichen Schaden ermitteln. Wichtig dafür ist eine genaue Dokumentation, die die Verhandlungsposition stärkt.
U.Behnke: Im vertrauensvollen Austausch erfährt man viel Neues, sieht Bekanntes in anderem Licht. Das bringt dann auch wieder Anregungen für den eigenen Betrieb. Gerade so einen Stalldurchgang bei seinen Kollegen möchte ich nicht missen, der öffnet den Blickwinkel und ist ein gutes Mittel gegen Betriebsblindheit!
G.Hammans: Ich freue mich auch auf die Berufskollegen, wenn wir gemeinsam durch den Stall gehen und beim anschließenden Fachgespräch untereinander Tipps austauschen, die einem das Leben erleichtern.
P.Mertens: So kommt man auch immer wieder zu neuen Ideen. Wenn es mir nützlich erscheint, nehme ich mir auch die Zeit, einen Vortrag zu besuchen oder wie im letzten Jahr an einer Fachexkursion in die Hochburg der Schweineproduktion in Niedersachsen teilzunehmen. Sich anderswo umsehen zu können, um wieder Anregungen mit nach Hause zu bringen, wo und wie man etwas noch besser machen kann.
G.Hammans: Wir haben auf der vom REMS organisierten Exkursion Betriebe gesehen, die nicht nur günstig gebaut haben, sondern den Tieren auch ein Höchstmaß an Tierkomfort gewähren. Oder dass die Roggenfütterung nicht nur ernährungsphysiologisch interessant ist, sondern der Roggen auch im Anbau interessant ist.
P.Mertens: Es lohnt, sich Zeit zu nehmen, um nicht jahrelang für Fehler zu büßen. Das ist eine der lohnendsten Investitionen bei der Mitarbeit im Intensivarbeitskreis.
LZ: Das hört sich ja alles ganz ermutigend an. Noch ein Schlusswort, Herr Hilgers?
J.Hilgers: Der Weg der Branche geht weiter und bleibt spannend. Denn die Schweineproduktion befindet sich in einem gewaltigen Umbruch. Und hierbei zeigt sich: Es gibt in der Schweineproduktion nicht einen Weg für alle. Aber für alle Schweineproduzenten gibt es einen Weg in die Zukunft. Nur wer seine realistischen Zahlen kennt, vernünftig analysiert und die richtigen Schlüsse zieht, kann den Betriebserfolg nachhaltig verbessern. Unsere Aufgabe als REMS ist es, diesen Weg unserer Familienbetriebe zu begleiten und zu unterstützen. Ihn gemeinsam zu gehen, wird immer wichtiger. Sich umzusehen und zu informieren, ist die beste Investition für die Zukunft!
Christiane Nährmann-Bockholt