Gewicht tragender Sauen kontrollieren


Der Massezuwachs von Sauen beeinflusst maßgeblich deren Futteraufnahme in der Säugezeit, die laktationsbedingten Konditionsverluste und nachfolgenden Leistungen. Besonderes Augenmerk verdienen dabei die Sauen der Wurfnummern 1 und 2, wie Johannes Hilgers, Schweinevermarktung Rheinland w. V., Sonsbeck, und Prof. Dr. Uwe Hühn, Wölfershausen, erläutern.

In den Schweinezuchten und Ferkelerzeugerbetrieben gibt die Entwicklung der Lebendmasse (LM) der weiblichen Zuchtschweine Auskunft über den Ernährungszustand im Verlaufe der einzelnen Reproduktionsstadien sowie mit aufsteigender Wurfnummer (WN). Die Körperbeschaffenheit stellt einen wichtigen Einflussfaktor auf die reproduktive Fitness der Tiere dar. In den Sauen haltenden Betrieben konnten die Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistungen in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert werden. Nach der jüngsten Mitteilung der Auswertungsergebnisse des Rheinischen Erzeugerringes für Qualitätsferkel e. V. wurden im Wirtschaftsjahr (WJ) 2016/2017 mit einer durchschnittlichen Wurfgröße von 15,02 lebend geborenen Ferkeln sowie 30,37 abgesetzten Ferkeln je Sau und Jahr und einer Lebensaufzuchtleistung von 71,29 Stück die bislang höchsten biologischen Leistungen erzielt, siehe auch LZ 44/2017, S. 40.

Zugleich wurde auf vorhandene Unterschiede hingewiesen, die nach wie vor zwischen den Betriebskategorien „untere 25 %“, „Schnitt“, „obere 25 %“ sowie „Top-Ten-Betriebe“ (siehe Tabelle 1) sowie zwischen den einzelnen Wurfzyklen in Erscheinung treten. Hervorgehoben wurde der Optimierungsbedarf bei den jüngeren Sauen (WN 1 und 2), die sich noch im Wachstum befinden und zugleich hohen Leistungsanforderungen unterliegen. Unter den biologischen Leistungsparametern gilt die Abferkelrate (AFR = Anteil von Abferkelungen zu Belegungen in %) als wichtigste Kennzahl. Sie blieb in den letzten Jahren weitgehend unverändert und sie war bei den Jungsauen im ersten Wurfzyklus und den sogenannten Primiparen, die nach der Aufzucht des ersten Wurfes zum zweiten Wurf belegt wurden, deutlich niedriger als bei den PluPluriparen (Altsauen) mit höherer Wurfnummer. Für bestehende Leistungsunterschiede zwischen verschiedenen Betriebs- und Sauengruppen ist ein Komplex von Einflussfaktoren mitverantwortlich. Nachfolgend wird das Augenmerk auf die Wirkung unterschiedlicherLebendmassen (LM) und deren dynamische Veränderungen zwischen Belegung, Abferkelung und Absetzen gerichtet.

 

Die Lebendmasse-Entwicklung

Für die anzustrebenden LM-Entwicklung gelten die Orientierungswerte der DLG in Tabelle 2. Die gewählten Lebendmassen im Bereich von 140 bis 255 kg beim Belegen sind als Beispiele zu verstehen. Je nach betrieblichen Bedingungen können sie schwanken. Den Basisdaten liegt eine angenommene Säugezeit von 25 Tagen zugrunde, die sich vielerorts als feste Größe etabliert hat. Seither hat sich he rausgestellt, dass die Sauen auch während der folgenden Wurfzyklen noch zunehmen können und keineswegs mit Wurfnummer 4 ausgewachsen sind. Es werden auch bei abgängigen Sauen zur Schlachtstätte noch schwerere Tiere angetroffen, die aufgrund ihres Alters gemerzt werden. In die LM-Konzeption wurden ein laktationsbedingter LM-Verlust von etwa 15 kg sowie ein kalkulierter Zuwachs an Konzeptionsprodukten und Milchdrüse von etwa 25 kg einbezogen. Besondere Beachtung verdienen die Angaben zum maternalen LM-Zuwachs während der aufeinander folgenden Reproduktionszyklen. Einer Reihe von unter Praxisbedingungen gewonnenen Wägedaten ist zu entnehmen, dass bei einem Teil der Sauen erhebliche Abweichungen davon vorkommen können, die sich nachhaltig auswirken. Zurückliegende Untersuchungen zeigen den Einfluss eines abweichenden LM Zuwachses tragender Sauen auf die danach registrierten laktationsbedingten LM-Verluste. Als verlässlicher Richtwert galt, dass die Partussauen nach beendeter Geburt bis zum Absetzen etwa 10 % ihrer LM verlieren können, ohne dass mit Leistungseinbußen zu rechnen ist. Höhere LM-Verluste der säugenden Sauen sollten vermieden werden. Wie Tabelle 3 verdeutlicht, geht es dabei bereits um die Steuerung der Körpermasse beim vorausgegangenen Belegen und eine maßvolle energetische Versorgung der graviden Muttertiere.

Die in die gebildeten WN-Klassen eingeordneten Jungsauen (WN 1), Primiparen (WN 2) und Pluriparen (WN 3 bis 5) wiesen mehr oder weniger große Spannweiten der LM auf. Generell folgten auf wachsende Masse-Zunahmen in der Trächtigkeit vom Belegen bis zur Einstallung in die Abferkelställe auch steigende laktationsbedingte LM-Verluste. Die Wägedaten belegen, dass bei zu schweren Partussauen, die während der Trächtigkeit aufgrund einer Überversorgung zu hohe Zunahmen erzielten, in der da rauffolgenden Säugezeit unerwünschte Wirkungen, wie eine abnehmende Stoffwechsellage, zu erwarten sind, siehe Kasten.

 

 

Die Wurfnummer hat’s in sich

In den 88 rheinischen Ferkelerzeugerbetrieben (FER), die mit dem Agrocom-Sauenplaner den Einfluss der Wurfnummer auf die biologischen Leistungen auswerten, entfielen im WJ 2016/2017 19,3 % der Belegungen auf Jungsauen und weitere 16,8 % auf Sauen der WN 2. Die WN 4-Sauen erzielten mit 86,5 % von allen WN-Klassen die höchste AFR, der Umrausche ranteil (UR %) betrug bei ihnen 10,3 %. Die durchschnittliche WN bei Abgang lag im Rheinland bei 5,54 und entsprach damit etwa dem Mittel des erst seit vier Jahren ausgewerteten Abgangsalters. In Tabelle 4 sind die erzielten Fruchtbarkeitsleistungen der belegten Sauen vom ersten bis zum sechsten Wurf vergleichend aufgeführt. Es ist ersichtlich, dass die Sauen der WN 1 und 2 deutlich mehr Umrauscher, eine größere Zahl von URTagen je Wurf, eine niedrigere Abferkelrate, längere Zwischenwurfzeit (ZWZ) und signifikant weniger lebend geborene Ferkel je 100 Belegungen aufwiesen als die Altsauen mit höherer WN. Die Ergebnisse der Auswertung zeigen, dass in den niedrigeren Wurfnummern 1 und 2 zu niedrige Gesamtabferkelraten auf die Leistungen drücken.

 

Ursache-Wirkungsbeziehungen aufgeklärt

In mehreren mitteldeutschen Sauenzuchtanlagen (SZA) und Ferkelerzeugerbetrieben wurden zur weiteren Quantifizierung der Auswirkungen von unterschiedlichen LM-Daten bei jüngeren Sauen Wägungen durchgeführt. Diese gelten als Indikatorgruppen, die noch bestehende Schwachstellen der Herdenführung signalisieren. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Hohe LM-Verluste durch Geburt und Laktation führen zu dem in Tabelle 5 ausgewiesenen Anstieg des Anteiles abgängiger Sauen nach dem ersten Wurf; nachfolgend erzielen die verbleibenden Tiere schlechtere Abferkelraten und sinkende Ferkelindizes.
  • Auch eine von den empfohlenen Basisdaten (Tabelle 2) abweichende, nämlich zu geringe LM beim Absetzen hatte negative Auswirkungen auf die genannten biologischen Leistungen (Tabelle 6).
  • Wenn die eintretenden LM-Verluste in der Säugezeit gegenüber dem akzeptierten Richtwert von 15 kg um weitere 10 kg anstiegen, war im darauf folgenden Wurfzyklus mit niedrigeren Abferkelraten bis zu minus 3 %, Wurfgrößen (Abnahme um 0,1 bis 0,3 geborene Ferkel/Wurf) und reduzierter Ferkelindizes von minus 40 zu rechnen.
  • Verfolgungsuntersuchungen erbrachten bei einem „normgerechten“ maternalen LM-Zuwachs in der zweiten Trächtigkeit im da rauf folgenden dritten Wurfzyklus eine AFRvon 86,8 % sowie einen Ferkelindex von 1 034. Stieg der Nettozuwachs um weitere 10 kg an, dann ergab sich eine Fruchtbarkeitsminderung der AFR um 3,7 % sowie des Ferkelindex um 48 Stück.
  • Es gilt im Weiteren zu berücksichtigen, dass zu hohe Energiegaben undLM-Zuwächse Brutto in der Trächtigkeit die Futteraufnahme der Sauen in der Säugezeit reduzieren. Dadurch treten unerwünschte laktationsbedingte LM- und Konditionsverluste auf. Diese beeinträchtigen das nach dem Absetzen der betroffenen Muttertiere registrierte Brunstgeschehen sowie deren nachfolgende Trächtigkeitsergebnisse. Dies betrifft vornehmlich die angesprochene Zielgruppe mit WN 1 und 2.

Wenn es darum geht festzustellen, ob zwischen zwei Variablen eine statistisch gesicherte Abhängigkeit besteht, bedient man sich einer einfachen und nützlichen Kennziffer: des Korrelationskoeffizienten (abgekürzt als r bezeichnet). Mittels entsprechender Berechnungen wurde eine enge Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen steigendem LM-Zuwachs der Sauen während der Trächtigkeit und der Höhe der laktationsbedingten LM-Verluste nachgewiesen. Die r-Werte ergaben 0,65 (für WN 2) und 0,74 (WN 3) und somit eine enge Abhängigkeit zwischen der LM-Änderung in der Säugezeit vom Graviditätszuwachs. Sie rechtfertigt die Aufnahme entsprechender Kontroll- und Steuerungsmaßnahmen in der Sauenhaltung. Dazu gehört auch die Integration von Tierwägungen. Die Sauenwägung – regelmäßig oder stichprobenweise – dient der Erfassung und Kontrolle der Körpermasse der weiblichen Zuchtschweine in den wichtigen Reproduktionsstadien. Sie liefert wertvolle Hinweise für eine auf das Tierwohl ausgerichtete und wirtschaftlich sinnvolle, bedarfsgerechte Fütterung des Sauenbestandes. Besonderes Augenmerk verdienen die tragenden Muttertiere, da deren Körperkondition und Stoffwechselvorgänge die Entwicklung der Ferkel, das Geburtsgeschehen und die erzielten Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistungen wesentlich mitbestimmen. Als empfehlenswerte Kontrolltermine für die Wägung und Beurteilung der weiblichen Zuchttiere gelten:

  • der Beginn der Zuchtnutzung, in Betrieben mit medikamenteller Brunstsynchronisation der Zuchtläufer vor Beginn dieser Behandlung; ansonsten vor der Erstbelegung/-besamung der Jungsauen,
  • die Hochträchtigkeit, zweckmäßigerweise gekoppelt an die gruppenweise Umstallung vom Warte- in den Abferkelstall,
  • das Absetzen, gekoppelt mit der Ausstallung aus dem Abferkelstall oder die Einstallung in eine Gruppenbucht für Sauen, in das Deckzentrum oder den Besamungsstall.

Neue Tierwägesysteme ermöglichen eine rationelle LM-Erfassung beim Durchlaufen einer transportablen Waage, ohne dass die Schweine fixiert werden. Die daraus abzuleitenden betriebsindividuellen Konzepte zur Erzielung einer „optimalen Lebendmasseentwicklung“ und bedarfsgerechter Phasenfütterung der Zuchtsauen sind mit dem zuständigen Zucht- und Fütterungsberater abzustimmen. Als hilfreich hat sich dabei auch die Einbeziehung des betreuenden Tierarztes erwiesen.

 

Zur Rolle der Fettdepots und des Hormons Leptin 

Bei den weiblichen Zuchtschweinen bestehen praktisch nutzbare Zusammenhänge zwischen der aktuellen Körperbeschaffenheit und ihrer reproduktiven Fitness. Sie erwachsen aus der physiologischen Wirkung des Fettgewebes sowie seiner aktiven Beteiligung an den Stoffwechselabläufen, dem Immunsystem und der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit. Tierernährer haben den Mindestgehalt an Gesamtkörperfett, über welchen die zuchttauglichen Sauen verfügen sollten, auf 30 kg (Jungsauen) bis 35 kg (Altsauen) beziffert. Die Fettzellen bilden das Hormon Leptin. Es ist in vielfältiger Weise und im Zusammenwirken mit weiteren hormonellen Wirkstoffen, die in den endokrinen Drüsen der Sau gebildet werden, am Pubertätseintritt, der Ausreifung und Erhaltung der Funktionen der weiblichen Geschlechtsorgane sowie auch der Nahrungsaufnahme, also Appetit/Hunger, Futterverzehrsleistung oder Gefräßigkeit, und zahlreichen Stoffaufbau, -umbau und -abbauvorgängen beteiligt.

Im Zuge der Zuchtarbeit zur „Fleischschweinezucht“ ist auch bei den Mutterrassen eine Abnahme des prozentualen Fettgehaltes eingetreten. Tierernährer der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft haben schon 2011 mit Blick auf die Bedeutung des Körperfettes dessen Sollwert auf 24 % beziffert, während der Istwert bei fleischreichen Sauen bis auf 17 % absinken kann. Zum Ausgleich sind die Sauen gegenüber früheren Angaben schwerer geworden, wie die Basisdaten zur LM-Entwicklung verdeutlichen (Tabelle 2). Die Wissenschaftler der Bayerischen LfL bezifferten den zulässigen LM-Verlust der säugenden Sauen auf 7,5 bis 10 %. Bei dieser Sauenkategorie führt die phasenweise defizitäre Versorgung mit Energie und Nährstoffen aufgrund mangelhafter Verzehrsleistung von Muttertieren mit zu niedrigem Fettgehalt zu hohen Substanz- und Konditionsverlusten zu einer beeinträchtigten Milchproduktion. Bei den abgesetzten Sauen kann eine zu geringe LM und Ausstattung mit Leptinbildenden Fettzellen zu verzögerten, ausbleibenden oder infertilen Östren sowie zu reduzierten Trächtigkeitsergebnissen führen.

Quelle: LZ Rheinland Ausgabe 21/2018 S.35-37 Fotos: Johannes Hilgers