Der Privatschlachthof Tummel setzt seit einigen Monaten bewusst auf Improvac-geimpfte Eber, weil die Fleischqualität stimmt. Wir sprachen mit dem Vieheinkäufer des Unternehmens.
Für fast alle Schlachtunternehmen sind Improvac-geimpfte Eber bisher ein Rotes Tuch. Wieso denkt die Firma Tummel anders?
Daldrup: Bis zum Ende der Übergangsfrist der chirurgischen Kastration bleiben uns nur noch elf Monate. Viele Ferkelerzeuger sind unsicher, für welche der drei zugelassenen Alternativen sie sich entscheiden sollen. Die Inhalationsnarkose mit Isofluran ist arbeitsaufwendig. Und die Anschaffung sowie der Unterhalt der Geräte ist vor allem für kleine und mittlere Betriebe kostenintensiv. Der Markt für Jungeberfleisch ist begrenzt. Und dem Fleisch von Improvac geimpften Ebern haben sich die meisten Zerlegebetriebe und der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bisher verweigert.
Wir befürchten, dass viele Sauenhalter Ende 2020 aussteigen, wenn bis da- hin keine praktikablen Alternativen zur chirurgischen Ferkelkastration angeboten werden. Und dann ist auch die Rohstoffversorgung unseres Schlachthofes in Gefahr. Deshalb waren wir sehr erleichtert, als wir Mitte 2019 von unserem Kunden Kaufland das Signal bekamen, dass man alle zugelassenen Alternativen akzeptiere, auch die Impfung mit Improvac.
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Die Privatschlachterei Tummel hat bis Ende 2019 bereits mehr als 3.500 mit Improvac geimpfte Eber geschlachtet. Am Schlachtband ist kein Unterschied zwischen geimpften Ebern, weiblichen Mastschweinen und Kastraten erkennbar. Abgerechnet werden die Improvac-Eber vorerst nach der AutoFOM-Maske für Kastrate und weibliche Mastschweine. Gemeinsam mit dem Erzeugerring Münsterland haben wir deshalb begonnen, erste Erfahrungen mit Improvac-geimpften Ebern zu sammeln – sowohl in den Erzeugerbetrieben als auch in der Schlachtung.
Warum sind intakte Jungeber für Sie keine Alternative?
Daldrup: Für uns steht die Qualität des Fleisches im Vordergrund, wir wollen unseren Kunden „Fleisch vom Besten“ anbieten – das ist unser Ziel. Das Fleisch von Jungebern erfüllt diese Zielvorgabe häufig nicht. Die Fleischfarbe ist zu rot, sie erinnert eher an Rind- als an Schweinefleisch. Zudem ist die Fettauflage zu gering, der Bauch ist zu dünn und der Speck zu weich. Hinzu kommt, dass der Geruch oftmals nicht aromatisch ist. Das ist beim Fleisch von Improvac-geimpften Ebern ganz anders.
In welchem Umfang schlachten Sie bereits Improvac-geimpfte Eber?
Daldrup: Gemeinsam mit dem Erzeu- gerring Münsterland sind wir Mitte 2019 in zwei Mastbetrieben gestartet. Im August 2019 haben wir dann die ersten Improvac-geimpften Eber geschlachtet. Inzwischen haben etwa 50 Mastbetriebe auf die Impfung umgestellt. Unser Ziel war, bis Jahresende 2019 etwa 3.500 Improvac-Eber zu schlachten. Das haben wir erreicht, wir wollen jedoch noch mehr Erfahrungen und Schlachtdaten sammeln.
An wen vermarkten Sie die Schlacht- körper der Improvac-Eber?
Daldrup: Unser Schlachtunternehmen vermarktet überwiegend Hälften an Zerlegebetriebe. An unserem Standort in Schöppingen ist direkt ein Zerleger angegliedert, der etwa 7 500 Schweine pro Woche verarbeitet. Daneben gibt es jedoch noch eine Vielzahl weiterer Zerlegebetriebe und Vermarkter. Wir haben unsere Kunden informiert, dass wir Improvac-Schweine schlachten. Derzeit sammeln wir auf breiter Front Erfahrungen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
Welche Qualität weisen die Improvac- Schlachtkörper auf?
Daldrup: Bis jetzt sind wir mit den Schlachtkörpern sehr zufrieden. Bis zur zweiten Impfung wachsen die Schweine ins Fleisch wie Eber. Das bietet den Mästern klare Vorteile. Nach der zweiten Impfung entwickeln sich die Schweine dann jedoch wie Kastrate. Die Speckauflage und der intramuskuläre Fettanteil, der für den Ge- schmack wichtig ist, steigen. Und das Fleisch dieser Tiere riecht sogar noch etwas aromatischer als das von Kastraten und weiblichen Mastschweinen.
Am Schlachtband ist kein Unterschied mehr erkennbar zwischen den Schlachthälften von Kastraten und Improvac-Schweinen. Deshalb ist es auch nicht erforderlich das Fleisch dieser Tiere gesondert zu sortieren oder zu kennzeichnen. Zumal der Impfstoff seit zehn Jahren in Europa zugelassen ist und im Organismus der Tiere vollständig verstoffwechselt wird.
„Das Fleisch der Improvac-Eber ist aromatischer.“
Wie viele Improvac-Tiere waren bisher geruchsauffällig?
Daldrup: Bis zum Jahreswechsel haben wir mehr als 3.500 Improvac-Eber geschlachtet und dabei nur ein einziges geruchsauffälliges Tier gefunden. Wichtig ist, dass wir Eber, bei denen die Impfung nicht funktioniert hat, sicher erkennen, um sie im Schlachthof trennen und separat schlachten zu können. Mäster und Impftechniker müssen deshalb bereits im Maststall auf Tiere achten, die trotz zweiter Impfung unverändert große Hoden aufweisen oder Rangkämpfe ausfechten. In diesem Punkt wollen wir die Mäster künftig noch stärker sensibilisieren. Im Schlachthof erfolgt dann noch eine Eingangs- sowie eine Brennkolben- und Geruchskontrolle nach dem Schlachten. Das ist eine QS-Vorgabe.
Verhalten sich Improvac-Tiere während des Transports und in den Wartebuchten des Schlachthofes anders als intakte Eber?
Daldrup: Ja, sie verhalten sich auffällig anders. Etwa eine Woche nach der zweiten Impfung werden die mit Improvac behandelten Tiere schlagartig ruhiger. Es gibt weniger Rangkämpfe und weniger Beißereien. Das wiederum kommt dem Tierschutz und dem Schlachtkörper zugute. Schlachtkörper von Improvac-Ebern weisen weniger Biss- und Kratzspuren auf. Ihre Haut ist unversehrter als die von Jungebern. Auch die Fleischqualität ist besser, weil die Tiere unmitttelbar vor der Schlachtung weniger Stress ausgesetzt waren.
Wie rechnen Sie die Improvac- Schweine mit den Landwirten ab?
Daldrup: Da es nach unseren Erfahrungen keinen Unterschied zwischen den Schlachtkörpern von Improvac-Schweinen und denen weiblicher Tiere oder Kastraten gibt, rechnen wir die Hälften von immunokastrierten Schweinen vorerst nach der normalen AutoFOM-Maske für Kastrate und weibliche Schweine ab. Es ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, das Fleisch von Improvac-geimpften Schweinen als Eberfleisch zu bezeichnen.
Werden Sie die Schlachtung von Improvac-Schweinen noch ausweiten?
Daldrup: Auf jeden Fall, denn die Kombination aus unversehrter Haut, einer rosa Fleischfarbe, einem idealen Fleisch-Fett-Verhältnis und einem guten Aroma ist aus unserer Sicht ideal. Zudem entspricht die Improvac-Impfung dem Wunsch der Verbraucher und des Tierschutzes nach unversehrten Tieren. Es wird zwar auch in Zukunft eine gewisse Nachfrage nach kastrierten Ferkeln geben. Das Marktpotenzial von Ebern, die mit Improvac geimpft wurden, schätzen wir jedoch als sehr hoch ein.
Quelle: top agrar 2/2020 S. 20-21 Foto u. Text: Henning Lehnert henning[dot]lehnert[at]topagrar[dot]com