Langlebig und leistungsstark


In der Ferkelerzeugung geht es nicht allein um große Würfe. Die Nutzungsdauer ist für den Betriebserfolg ebenso wichtig. Als Richtschnur kann eine Lebensleistung von 75 aufgezogenen Ferkeln in fünf bis sechs Würfen gelten.

Für eine erfolgreiche Ferkelerzeugung sollten die Landwirte nicht nur die Zahl der Ferkel je Sau und Jahr im Blick haben, sondern auch die Lebensleistung ihrer Tiere. Die Sauen sollen Wurf für Wurf viele vitale und frohwüchsige Ferkel großziehen. Wenn sie dagegen vorzeitig ausscheiden, ist das schlecht für die Tiere, aber auch fürs Portemonnaie.

75 Ferkel in sechs Würfen

Als Richtschnur kann eine Lebensleistung von mindestens 75 aufgezogenen Ferkeln in fünf bis sechs Würfen gelten. In dieser Hinsicht sind die heimischen Betriebe auf einem guten Weg: Die Auswertungen des Rheinischen Erzeugerringes für Qualitätsferkel ergaben beispielsweise für 2018/19 eine Lebensaufzuchtleistung je Sau von 73,8 Ferkeln in durchschnittlich 5,5 Würfen. Bei 2,4 abgeschlossenen Würfen pro Sau und Jahr resultieren daraus Remontierungsraten von gut 40 %. Wenn die Sauen länger fit und leistungsfähig bleiben, sinkt die Rate und die Wirtschaftlichkeit verbessert sich. Allerdings gibt es Grenzen: Mit zunehmendem Alter geht die Aufzuchtleistung der Sauen zurück. Es werden weniger vitale Ferkel geboren, die Milchleistung lässt nach und oft sind nicht mehr alle Zitzen voll funktionstüchtig. Weil die Sauen zudem unbeweglicher werden, steigen die Erdrückungsverluste bei den Ferkeln. Im Ergebnis kommt je nach Leistungsniveau etwa ab dem sechsten Wurf der Zeitpunkt, an welchem eine alte Sau durch eine junge ersetzt werden sollte, weil es in der Regel besser für die Ferkel und den Betrieb ist.

Frühe Abgänge verhindern

Den Grundstein für eine hohe Lebensleistung bilden indessen die Jungsauen und deren Aufzucht bzw. Eingliederung in den Ferkelerzeugerbetrieb sowie das Management von der Erstbelegung über die Trächtigkeit bis zur Geburt, Säugezeit und erneuten Besamung. Funktionieren diese Bereiche gut, lassen sich vorzeitige Abgänge weitgehend vermeiden. Schließlich ist es mehr als ärgerlich, wenn junge Sauen bereits nach dem ersten Wurf ausfallen, bevor sie ihr Potenzial überhaupt entfalten konnten. Damit dies nicht so kommt, gibt es einige Punkte zu beachten:

■ Sorgfalt bei der Eigenremontierung: Rund 70 % der heimischen Ferkelerzeugerbetriebe kauft die zur Remontierung benötigten Jungsauen von spezialisierten Aufzüchtern zu. Ein knappes Drittel zieht die Nachzucht mit Unterstützung der Genetikanbieter selbst auf. Wer sich für die Eigenremontierung entscheidet, sollte aber besonders sorgfältig arbeiten. Der Landwirt hat die Entwicklung der Prinzessinnen schließlich weitgehend selbst in der Hand. Die Eigenremontierung darf nicht „nebenbei“ erfolgen. Ansonsten steigt die Remontierungsrate und das nicht, weil die Zukauftiere per se besser sind, sondern weil die eigene Nachzucht nicht optimal betreut wird.

■ Das Gesäuge im Blick behalten: Wer seine Jungsauen selbst erzeugt, sollte bei der Zuchtauswahl und Selektion keine Kompromisse machen, die er später bereut. Das gilt unter anderem für die Gesäugequalität. Damit die Jungsauen die geborenen Ferkel auch erfolgreich aufziehen können, müssen sie über ausreichend viele funktionstüchtige Zitzen (möglichst acht auf jeder Seite) und eine straffe Gesäugeleiste verfügen. Taube, blinde oder anderweitig funktionslose Zitzen, welche erblicher Natur sein können, sind bei den Zuchttieren nicht tolerierbar. Sauen aus Würfen mit Erbfehlern sollten grundsätzlich von der Zucht ausgeschlossen werden.

■ Stabiles Fundament fördern: Für ein stabiles Fundament und einen guten Knochenbau brauchen die Zuchtläufer und Jungsauen von Anfang an bestes Futter mit allen wichtigen Nähr- und Mineralstoffen. Im Vergleich zu gleichaltrigen Mastschweinen ist vor allem der Phosphorbedarf höher. Zugleich ist auf ein ausgewogenes Ca : P-Verhältnis zu achten. In der Eingliederungszeit sollten die Jungsauen zudem ein Futter mit viel Energie, aber wenig Eiweiß erhalten. In dieser Phase gilt es, gezielt Fettreserven aufzubauen, die wichtig fürs Fruchtbarkeitsgeschehen sind. Während der Aufzucht sollte den Tieren unbedingt ausreichend Platz (mindestens 1 m2/Jungsau) und viel Bewegungsfreiheit zur Stärkung des Bewegungsapparates angeboten werden. Die Zuchtläufer dürfen zudem nicht zu lange auf Kunststoffböden gehalten werden, weil hier kaum Klauenabrieb möglich ist. Besser sind Kombiböden mit Kunststoff- und Betonelementen. Um mehr Platz zu schaffen, sollten übrigens Tiere, die offensichtlich nicht selektionsfähig sind, frühzeitig aus der Gruppe genommen und woanders weitergemästet werden.

■ Passt das Gewicht zum Alter? Schweine, die sich trotz guter Versorgung schon in der Aufzucht deutlich schlechter entwickeln als ihre Buchtengenossen, sollten nicht für die Remontierung vorgesehen werden. In jedem Fall sind die Tiere gründlich zu beurteilen. Ein geeigneter Zeitpunkt zur Selektion ist der Gewichtsbereich von etwa 95 bis 100 kg mit 180 Lebenstagen. Wer seine Tiere dann einzeln wiegt und das Ergebnis durch die Lebenstage dividiert, erhält die Lebenstagszunahme. Diese kann bei Hybridherkünften bzw. Kreuzungstieren je nach Typ und Aufzuchtintensität in gewissen Grenzen schwanken, sollte aber zwischen 550 und 650 g betragen sowie in der Gruppe recht einheitlich sein. Die künftigen Jungsauen sollten eine mittlere Winkelung der Gelenke, eine gute Röhrbeinstärke und eine tadellose Klauenstellung aufweisen, denn ein gutes Fundament erhöht nachweislich die Verbleiberate sowie Lebensleistung der Tiere und verbessert den Tierschutz: Sauen mit gesunden Gliedmaßen und Klauen erdrücken weniger Saugferkel, erzielen höhere Aufzuchtergebnisse und müssen seltener medizinisch behandelt werden.

■ Faustzahlen zur Erstbelegung: Die Jungsauen sollten stets mit der nötigen körperlichen, sexuellen, immunologischen und sozialen Reife ins reproduktive Leben starten. Tiere, die zu jung, zu leicht (mager) oder mit unvollkommener Zuchtreife erstbesamt werden, tragen ein erhöhtes Ausfallrisiko. Wer lange Freude an seinen Sauen haben möchte, sollte einige Faustzahlen zur Erstbelegung im Hinterkopf behalten. So empfiehlt sich ein Erstbelegealter von mindestens acht Monaten, jedoch nicht über 255 Lebenstagen bei einem Tiergewicht zwischen 140 und 160 kg und einer Rückenspeckdicke von 12 bis 14 mm. Zur Geburt des ersten Wurfes sollten dann 16 bis 20 mm Rückenspeck erreicht sein. Besamt wird möglichst im ersten oder zweiten Östrus nach Eintritt der Geschlechtsreife. Dafür muss die erste Brunst dokumentiert werden. In den letzten sechs Wochen vor der Erstbelegung sollten die Jungsauen täglich 700 bis 750 g zunehmen und mithilfe einer energiereichen Kost Rückenspeckreserven bilden. In dieser Eingliederungszeit durchlaufen sie auch das betriebliche Impfprogramm und Zukauftiere erhalten die Chance, sich an den neuen Betreuer zu gewöhnen. Wer sich hier Zeit für die Tiere nimmt, kann später spürbar einfacher mit ihnen arbeiten.

Nicht zu stark absäugen

Für eine hohe Lebensleistung ist unterdessen nicht nur eine gute Jungsaueneingliederung notwendig. Besonderer Wert sollte auch auf die Gewichtsentwicklung der Tiere im Verlauf der Trächtigkeit, vor allem aber während der Säugephase gelegt werden. Etliche junge Sauen werden im ersten Wurf so stark abgesäugt, dass sie anschließend mangels Fettreserven nur schwer wieder trächtig werden. Hinzu kommen Probleme mit durchgelegenen Schultern. Die Sauen sollten daher so gefüttert und betreut werden, dass sie in der Laktation höchstens 10 % ihres Körpergewichts einbüßen. Ein Verlust von mehr als 12 % gilt als kritisch; mehr als 15 % Substanzverlust hinterlassen Schäden. Eine 225 kg schwere, säugende Sau mit 13 bis 14 Ferkeln müsste deshalb im Mittel einer 25-tägigen Säugezeit mindestens 7 kg Laktationsfutter mit 13,2 MJ ME/kg fressen. Und da die Sauen in der ersten Tagen nach der Geburt wenig Futter aufnehmen, muss die Menge später deutlich über 7 kg liegen. In gewissem Rahmen lassen sich die Gewichtseinbußen aus der Säugezeit anschließend wieder ausgleichen. Das geschieht in den ersten Wochen der darauffolgenden Trächtigkeit durch eine kontrollierte „Konditionsfütterung“. Je nach Gewichtsverlust erhalten die Sauen dabei individuelle Futterzulagen auf die Futterkurve für normal konditionierte Sauen. Das können im Ergebnis bis zu 40 MJ ME/Tier und Tag statt der üblichen 29 bis 37 MJ ME sein. Besonderes Augenmerk verdienen die Erstlingssauen, denn sie müssen eine Mehrfachbelastung bewältigen: Sie wachsen selbst noch, erleben die erste Geburt und sollen 12 bis 14 Ferkel großziehen. Das Futteraufnahmevermögen ist jedoch geringer als das von (schwereren) Altsauen. Diese Altersgruppe nimmt daher eine Schlüsselrolle für eine hohe Lebensleistung ein. Wenn es gelingt, die Jungsauen gut entwickelt und vorbereitet an die Altsauenherde heranzuführen, ist die erste Hürde genommen. Und wer es gleichzeitig schafft, die unfreiwilligen Ausfälle von Sauen im ersten und zweiten Wurf zu reduzieren, indem er den Ursachen konsequent auf den Grund geht, kann eine stabile Herdenstruktur mit guter Immunität aufbauen und kommt dem Ziel von mehr als 75 aufgezogenen und später gut mastfähigen Qualitätsferkeln in sechs Würfen je Sau erfolgreich näher.

Johannes Hilgers,
Schweinevermarktung Rheinland w.V.

Quelle: Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Ausgabe 24/2020 S. 25-26 Fotos: Waldeyer