Nettoenergie oder Umsetzbare Energie?


Offene Fragen bei der Umstellung des Schweinemast-Mischfutters auf ein neues Nettoenergie-Bewertungssystem

Für eine wirtschaftlich erfolgreiche Schweinemast ist eine ständige Optimierung der Leistung und der Schlachtkörperqualität bei reduziertem Kostenaufwand erforderlich. Die Futterkosten machen etwa 60 % der variablen Kosten aus. Deshalb ist es aus ökonomischer Sicht zwingend notwendig, den Energiegehalt im Futter so genau wie möglich zu schätzen, um eine gute Vorhersage der Leistung zu erhalten. Die mit dem Futter aufgenommene Energie wird vom Schwein für die Erhaltung und Leistung verwendet. Wobei jedoch an verschiedenen Stellen Energieverluste auftreten.

Stufen des Energieverlustes

Tabelle 1:

tabelle1

Werden von der Gesamt- bzw. Bruttoenergie eines Futters die Energieverluste im Kot abgezogen, erhält man die verdauliche Energie. Ein Teil der verdaulichen Energie geht dem Organismus mit der Abgabe des Urins sowie durch Gasverluste (z.B. Methan) verloren.

Werden diese Verluste eingerechnet, kommt man zur Definition der ‚umsetzbaren Energie (ME)‘.

Nicht berücksichtigt bleiben bei diesem System jedoch die Wärmeverluste, die bei der Verwertung der umsetzbaren Energie im Stoffwechsel entstehen. Erst das System der Nettoenergie (NE) charakterisiert die umsetzbare Energie, die dem Tier nach Abzug aller Wärmeverluste für den Erhalt und die Leistung zur Verfügung steht. Dieses System wird in Ländern wie Frankreich und den Niederlanden angewandt. Bei der Anwendung in Deutschland wird auf ausländische Schätzungen Bezug genommen (die sich aber z.T. auf andere Rassen beziehen). Außerdem ermöglicht diese Methode, dass Schwankungen in den inhaltlichen Zusammensetzungen des angebotenen Mischfutters nicht ausgewiesen werden.

Tabelle 2: Dr.  Jörg Bartelt 2015


Forschungsstand in Deutschland

In Deutschland ist bislang und seit Jahrzehnten die umsetzbare Energie (ME) der Maßstab für die Energiebewertung beim Schweinefutter. Nach langer Abwägung der GfE (Gesellschaft für Ernährungsphysiologie) wurde auf bei der Neuauflage ihrer Empfehlungen an denen von 2006 festgehalten, das System der Nettoenergie immerhin erwogen. Es konnte sich bislang aber bei der GfE nicht durchsetzen. Dazu heißt es in einer dem Autor vorliegenden aktuellen Stellungnahme vom 28.10.2015: „Die Wissenschaft, in diesem Fall der Ausschuss für Bedarfsnormen der GfE, ist NICHT der Meinung, dass eine Umstellung der Energiebewertung beim Schwein von ME auf NE in Deutschland angezeigt ist. Wir haben dazu bereits in der Vergangenheit Stellungnahmen abgegeben, haben dies Vertretern der Mischfutterindustrie kürzlich wieder erläutert, und arbeiten an einer erneuten Stellungnahme.“

Probleme können entstehen, wenn Tiere proteinreduzierte Rationen erhalten, die auf Basis der umsetzbaren Energie kalkuliert sind. So haben deutsche Untersuchungen (z.B. Dusel 2013) ergeben, dass Schweine, die proteinreduzierte und mit Aminosäuren ergänzte Rationen erhielten, bei identischer Aufnahme an umsetzbarer Energie zu fetteren Schlachtkörpern neigten. Das hängt mit einer effizienteren Energieverwertung zusammen, da durch die Proteinreduzierung weniger Energieverluste mit dem Harn und geringere Wärmeverluste entstehen und somit mehr Energie für den Fettansatz bereitsteht.

Im Gegensatz zu dem in Deutschland angewandten Energiesystem auf Basis der umsetzbaren Energie berücksichtigt das Nettoenergiesystem für Schweinefutter diesen oben erwähnten Einfluss und liefert eine bessere Abschätzung der tatsächlich verfügbaren Energie für Erhaltung und Leistung.

Neben einer Reduzierung der Proteingehalte und der damit verbundenen verminderten N-Ausscheidung sollen Rationen, die auf Basis des Nettoenergiesystems kalkuliert wurden, zu einem geringeren Preis je Futtereinheit und damit zu geringeren Futterkosten je Schwein führen.

Vor- und Nachteile im bisherigen Vergleich

In zahlreichen Versuchen führten rohproteinreduzierte Rationen (auf Basis der Nettoenergie und der verdaulichen Aminosäuren), die mit rohproteinreichen Rationen (auf Basis des klassischen Energiebewertungssystems mit umsetzbarer Energie) verglichen wurden, zu guten und vergleichbaren Mastleistungen. Einen Marktvorteil ergab das proteinreduzierte und auf Basis der Nettoenergie bilanzierte Versuchsfutter insoweit, als es preisgünstiger als das Kontrollfutter war und sich so die Futterkosten verringerten.

Andererseits ist es dem Landwirt mangels vorliegender gesicherter Futteranteilsangaben und vorgegebener GfE-bestätigter Fütterungsempfehlungen nicht mehr möglich, eine insoweit eigenverantwortliche betriebliche Entscheidung zu treffen. Weitere offene Fragen sind:

  • Es gibt keine offiziellen Versorgungsempfehlungen
  • Für Deutschland gibt es keine einheitliche Formel der NE-Werte; verschiedene Futtermittelhersteller sind nicht miteinander vergleichbar
  • Bei Optimierung auf NE ist die Deklaration der ME irreführend für die Einsatzempfehlung
  • Zur Überprüfung der Nettoenergie gibt es keine gesicherte Methode. Daher darf die Nettoenergie lt. Gesetzgeber nicht deklariert werden.

Demgemäß heißt es in der aktuellen GfE-Stellungnahme vom 28.10.2015 auch:

„Der Vertrieb von Mischfuttermitteln ohne Deklaration des Energiegehaltes verschlechtert die Transparenz am Markt und ist ein bedauerlicher Rückschritt.“

Ausblick

Es muss daher abgewartet werden, ob der weitere Verfahrensgang dazu führt, dass sowohl unter ökonomischen als auch ökologischen Gesichtspunkten die Rationskalkulation von rohproteinreduzierten Rationen auf Basis der Nettoenergie unter den gegebenen Umständen (z.B. Preisrelation zwischen Soja und freien Aminosäuren) empfohlen werden kann. Eine neutrale Beratung ist hinsichtlich des NE-Futterbewertungssystems derzeit nicht möglich.