Neue Schweine-Verordnung: Was kommt auf die Betriebe zu?


Die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) wurde am 8. Februar 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt damit in Kraft. Was sich für Ferkelerzeuger und Mastschweinehalter ändert, erläuterte Bernhard Feller, Landwirtschaftskammer NRW, vergangene Woche in einem sehr gut besuchten Onlineseminar der Erzeugerringe in NRW.

Einige Vorgaben der TierSchNutztV gelten ab sofort, andere haben noch ein halbes Jahr Übergangszeit. Für die baulichen Maßnahmen gelten Fristen von acht beziehungsweise 15 Jahren. Die wichtigsten Neuregelungen sind in der Tabelle zusammengefasst. Der Gesetzestext lässt Raum für Interpretationen. Damit bei einer Veterinärkontrolle bundeseinheitlich nach gleichen Maßstäben vorgegangen wird, hat das Friedrich-Loeffler-Institut Ausführungshinweise veröffentlicht, die für die Amtsveterinäre als Richtschnur und Interpretationshilfe gelten. Die Ausführungshinweise haben jedoch keine Rechtsbindung für die behördliche Kontrolle: Ein gewisser Interpretationsspielraum der Amtsveterinäre bleibt, die Situation vor Ort ist entscheidend.

Abferkeln in der Bewegungsbucht

Die wesentlichen Änderungen der Tier- SchNutztV betreffen die Ferkelerzeuger. Sauen sind grundsätzlich in Gruppen zu halten. Ausnahmen gibt es nur für die Zeit in der Abferkelbucht und für den Zeitpunkt der Belegung und Rauschekontrolle sowie für notwendige medizinische Behandlungen. Die Anforderungen aus der TierSchNutztV gelten seit deren Inkrafttreten Anfang Februar dieses Jahres für Neu- und Umbaugenehmigungen. Für Ställe, die vor dem 9. Februar in Benutzung genommen oder genehmigt wurden, gelten Übergangsfristen. Abferkelbuchten müssen nach 15 Jahren die Anforderungen Mindestbuchtenfläche 6,5 m² und Fixierung der Sau über einen Zeitraum von maximal fünf Tagen erfüllen. In den zukünftigen Bewegungsbuchten dürfen die Sauen frühestens einen Tag vor der Geburt festgesetzt werden. Wird der Geburtstag miteingerechnet, kann der Ferkelschutzkorb, sprich Kastenstand, also noch maximal bis zu drei Tagen nach der Geburt geschlossen bleiben. Der Ferkelschutzkorb muss in Zukunft mindestens 2,20 m lang sein. Gemessen wird ab Hinterkante Trog, der Trog zählt also nicht mit. Der Liegebereich innerhalb des Standes ist mit maximal 7 % Schlitzanteil definiert und muss in mindestens 1,27 m Länge nach dieser Vorgabe eingerichtet sein. Bewegungsbuchten sind immer ein Kompromiss zwischen dem Anspruch der Sau auf Bewegungsfreiheit, dem Anspruch nach Arbeitsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Verlustrate während der Säugezeit. Die Ausgestaltung der Abferkelbuchten wird vor dem Hintergrund Saugferkelverluste und Arbeitswirtschaft in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen.

Ferkel haben die Wahl

Die Pflicht, in Zukunft Abferkelbuchten mindestens als Bewegungsbuchten auszuführen, macht es erforderlich, einen sicheren Liegeplatz für die Ferkel zu definieren. Dieser wird in der Verordnung jetzt als Fläche zum ungestörten und gleichzeitigen Ruhen für alle Ferkel gefordert. In der praktischen Ausführung stellt sich die Frage, wie groß die Liegebereiche für Ferkel tatsächlich sein müssen. War der Liegebereich in der Vergangenheit für die aktuellen Wurfgrößen eher zu klein, könnte die Auslegung der gesetzlichen Anforderungen zu deutlich größeren Ferkelnestern führen. In der Diskussion sind derzeit Ferkelnestgrößen, die aus dem Platzbedarf für Mastschweine abgeleitet sind. Damit könnte die Forderung nach Ferkelnestern in einer Größe von 1,2 bis 1,5 m² entstehen. Diese Forderung gilt für Neu- und Umbauten. Damit Ferkelnester dieser Größe keinen zu großen Wärmeverlust haben, ist eine Untergliederung der Ferkelnester in einen beheizten und einen nicht aktiv beheizten Teilbereich mit guten thermoneutralen Eigenschaften sinnvoll.


Viel Platz für Sauen

Nach dem Absetzen der Sauen muss den Tieren in Zukunft eine frei verfügbare Fläche von 5 m² zur Verfügung gestellt werden. In der Zeit nach dem Absetzen soll die Gruppenfindung stattfinden und sich unter den Sauen eine stabile Rangordnung ausbilden. Der Platzanspruch von 5 m² gilt ab einer Woche vor dem geplanten Belegungszeitpunkt auch für Zuchtläufer. Der Stall für Sauen nach dem Absetzen muss strukturiert sein. Selbstfangfressliegebuchten als alleiniges Strukturelement zählen nicht. In der Bucht sind zusätzliche Trennwände, Gitter, Sichtblenden oder ähnliche Elemente gefordert. Die notwendige Fläche kann auch durch einen Auslauf oder eine Arena dargestellt werden. Ein solcher Teilbereich des Stalles gilt ebenfalls als Strukturierung. Der Liegeflächenanspruch beträgt für Sauen und Zuchtläufer 1,3 m² je Tier. Die Liegefläche je Tier muss zusammenhängend sein, es kann also nicht ein Teil in der Freßliegebucht und ein anderer Teil in einem anderen Buchtenbereich angeordnet sein. Die Forderung nach der großen Fläche direkt nach dem Absetzen gilt bis zur ersten Belegung der Sau. Nach der ersten Belegung der Sau zählt die Sau als tragend und es gelten die Anforderungen für tragende Sauen beziehungsweise Jungsauen mit 2,25 m² beziehungsweise 1,65 m² je Tier in Abhängigkeit der Gruppegröße. Allerdings ist nicht die Belegung der ersten rauschenden Sau in der Gruppe relevant, sondern es wird einzeltierbezogen betrachtet. Diese Anforderung führt zu gänzlich anderen Anforderungen an den Deckstall. Theoretisch wäre das Absetzen der Sauen in eine Arena mit den notwendigen Platzvorgaben möglich. Mit dem Beginn der Rausche könnte die Sauengruppe in den Deckstall umgestallt werden. Dieser muss dann aber die Bedingungen erfüllen, die die Aufstallung von rauschenden Sauen in der Gruppe erfordert. Insbesondere ist das der Selbstschutz von spätrauschenden Sauen vor dem Verhalten von frührauschenden Sauen und umgekehrt. Die Gestaltung des Bodens und der Laufgänge muss so beschaffen sein, dass von ihnen keine Verletzungsgefahr für die Tiere ausgeht. Das heißt, der Boden muss trocken und rutschfest sein und den Ansprüchen an die hohen Anforderungen durch die Belastung der Klauen beim Aufreiten genügen. Die Anforderungen für Deckzentrum und für abgesetzte Sauen können in einem Stallbereich erfüllt werden, es lassen sich aber auch mehrere Stallbereiche miteinander kombinieren. Zu beachten ist, dass die Sauen nicht länger als für die Belegung oder für notwendige medizinische Behandlungen erforderliche Zeit fixiert werden dürfen.

Wie viel Zeit bleibt?

Der Zeitraum für die Umsetzung der neuen Anforderungen für abgesetzte Sauen ist mit maximal acht Jahren benannt. Nach drei Jahren, also im Februar 2024, muss die Betriebsleiterin oder der Betriebsleiter bei der Veterinärverwaltung ein Betriebskonzept vorlegen, aus dem die zukünftige Haltung der abgesetzten und tragenden Sauen hervorgeht. Wird dieses Konzept nicht vorgelegt, ist die Ferkelerzeugung 2026 einzustellen. Betriebe mit Konzept können den Zeitraum bis 2026 nutzen, um genehmigungsfähige Bauvorlagen zu erstellen. Bis 2029 müssen dann die geplanten Maßnahmen im Deckzentrum umgesetzt sein. Eine Härtefallregelung ist vorgesehen, das heißt, der Umstellungszeitraum könnte dann mit Zustimmung der Behörde verlängert werden. In der Übergangszeit gilt: Die Sauen dürfen weiterhin in den bisherigen Ställen in Einzelhaltung gehalten und in Kastenständen bis 28 Tage nach der Belegung fixiert werden. Allerdings müssen die Stände so gestaltet sein, dass das Ausstrecken der Gliedmaßen in den Nachbarstand ohne bauliche Hindernisse möglich ist. Das heißt auch, dass wandständige Stände unter Umständen nicht mehr genutzt werden können. Die Abmessungen der Stände müssen den Sauen in Rumpftiefe und Körperlänge entsprechen.

Beschäftigungsmaterial

Eine Vorgabe, die alle Schweinehalter betrifft, besteht darin, in Zukunft Beschäftigungsmaterial in organischer und faserreicher Form anzubieten. Den Schweinen ist jederzeit Zugang zu dem entsprechenden Material zu ermöglichen. Das organische Beschäftigungsmaterial soll von den Schweinen bewühlt werden können, ist also bodennah oder zumindest auf einer Platte oder in einem Trog anzubieten. Weiterhin muss es beweglich und veränderbar sein. Veränderbar wird definiert als in Aussehen und Struktur manipulierbar. Vorgeschlagen in der Verordnung sind Stroh, Heu und Sägespäne beziehungsweise Mischungen daraus. Dabei ist zu beachten, dass diese Auflistung nicht abschließend, sondern nur beispielhaft ist. Somit sind alle organischen und faserreichen Stoffe möglich. Auch das viel diskutierte Holzstück wäre damit denkbar. Als veränderbar im Sinne der Verordnung gilt es aber nur, wenn es innerhalb weniger Tage verbissen beziehungsweise zerkaut werden kann. Von den Amtstierärzten wird Holz als Beschäftigungselement nicht einheitlich bewertet. Einige Amtsveterinäre akzeptieren es im Sinne der Tier- SchNutztV, andere lehnen es ab, wird aus der Praxis berichtet. Von entscheidender Bedeutung ist auch die notwendige Anzahl der Beschäftigungsmöglichkeiten. In einer Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) werden dazu entsprechende Angaben und die Anforderungen ausführlich erläutert. Nach dieser Veröffentlichung ist von einem Tier-Objekt- Verhältnis von 12 : 1 auszugehen. Die Veröffentlichung des LAVES ist zu finden unter https://www.laves.niedersachsen. de/startseite, Rubrik Tiere, Rubrik Tierschutz, Rubrik Tierhaltung, Rubrik Schweine, Artikel Beschäftigungsmaterial für Schweine.


Weniger Licht, mehr Ruhe

Änderungen gibt es auch im Bereich Schadgase und Lärm. Bei der Festlegung der Grenzwerte für Ammoniak, Kohlenstoffdioxid und Schwefelwasserstoff haben sich zwar die Werte nicht verändert, aber in den Anforderungen ist das Wort „dauerhaft“ gestrichen worden. Das bedeutet, dass der Schadgasgehalt oder die Lautstärke in einem Stall den vorgeschriebenen Wert von beispielsweise 20 ppm Ammoniak oder von 80 dB nicht überschreiten dürfen. Beim Geräuschpegel sind eindeutig technische Geräusche und nicht die unvermeidbaren Lautäußerungen der Tiere gemeint. Die Festlegungen beim Schadgasgehalt können deutlich schneller zu Beanstandungen führen. Je nach Höhe oder Messstelle in der Bucht sind Überschreitungen der Grenzwerte unabhängig vom Stallkonzept denkbar. Dazu kommt noch die Herausforderung, mit einem entsprechend kalibrierten Messgerät auch fachgerecht gemessen zu haben. Besteht der Verdacht, dass die Grenzwerte überschritten werden, ist es sinnvoll, mit den entsprechenden Fachleuten vom Stallklimadienst nach den Ursachen zu forschen. Eine Erleichterung in gewissen Punkten ist das Zulassen einer geringeren Beleuchtungsstärke als 80 Lux über acht Stunden im gesamten Tierbereich. In abgegrenzten Bereichen des Stalles ist eine geringere Beleuchtungsstärke von 40 Lux möglich. Dies erlaubt es, in strukturierten Haltungssystemen mit Liegeflächenabtrennungen und ähnlichen Elementen verordnungskonform zu arbeiten und über Licht im Stall Strukturen mit Ruhe- und Kotbereichen zu fördern.

Quelle: LZ Rheinland Ausgabe 18/2021 Hof&Feld S. 34-36