Roggen in der Schweinefütterung?


Aspekte wie Tierwohl, Klimaschutz und Lebensmittelsicherheit sorgen dafür, dass die Anforderungen im Bezug auf die Schweinehaltung- und Vermarktung stetig zunehmen, die letzten Endes in neuen Herausforderungen für Schweinefleischproduzenten resultieren.

Neben bereits etablierten Ansatzpunkten wie tierschutzrelevante Maßnahmen bei Haltung und Management sowie einer verschärften Düngeverordnung kann auch die Fütterung einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung aktueller und zukünftiger Auflagen leisten.

Aktuell rückt insbesondere der Roggen wieder in den Fokus der Tierernährung, welcher über einen langen Zeitraum annähernd in Vergessenheit geraten war, insbesondere bei den Schweinemästern. Die Begründung dafür lag bei dem hohen Mutterkorn-Risiko alter Roggensorten. Mutterkörner enthalten giftige Alkaloide, welche sowohl für Mensch und Tier eine gesundheitliche Gefahr darstellen. Aus diesem Grund besteht Eu-weit ein Grenzwert für Futtermittel von 1.000 mg/kg die Getreidekörner enthalten.

Neue Hybridroggensorten sind jedoch deutlich weniger anfällig gegenüber Mutterkorn. Ergebnisse des Saatgut-Unternehmens KWS zeigen, dass der Befall in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen ist und die Ausprägungsstufe für Mutterkornbefall laut Bundessortenamt vorzugsweise bei PollenPlus-Hybriden® als gering bis mittel einzustufen ist. Diese neuen Sorten bieten den Vorteil, dass es zu einer erhöhten Pollenbildung, schnellerer Befruchtung und zügigerem Spelzenschluss kommt. Somit verringert sich das Risiko, dass Mutterkornsporen die offenen Blüten der Roggenpflanzen besetzen können.

Durch das verringerte Mutterkorn-Risiko rücken die zahlenreichen  Vorteile des Roggens, speziell in den Bereichen der Tierernährung und des Pflanzenbaues, wieder verstärkt in den Vordergrund.

Als pflanzenbauliche Vorteile sind unter anderem die Robustheit gegenüber Krankheiten wie Rost und Mehltau sowie die Bildung eines ausgeprägten Wurzelsystems, das in einer guten Anpassungsfähigkeit und Toleranz gegenüber Trockenheit resultiert, zu nennen. Zudem zeichnet den Roggen ein sehr gutes Ertragspotenzial aus, welches sogar den Ertrag von Weizen übersteigt und das, obwohl der Wasserverbrauch je kg Erntegut rund 25 % niedriger ausfällt als beim Weizen, wie die Landessortenversuche 2011-2017 zeigen. Des Weiteren bietet Roggen den Vorteil einer hohen Stickstoff- und Phosphor-Nutzungseffizienz, so benötigt Roggen circa ein halbes Kilogramm weniger Stickstoff pro 100 kg Kornertrag als Weizen, wodurch es Landwirten erleichtert wird die neue Düngeverordnung einzuhalten.

Auch in der Tierernährung und speziell im Bereich der Fütterung von Mastschweinen kann der Roggen aufgrund einiger positiver Effekte punkten und sich gegebenenfalls sogar vorteilhafter erweisen als manch andere Getreidearten.

Ein gravierender Unterschied zu anderen Getreideartenstellt der hohe Gehalt an Kohlenhydraten dar, die nicht bereits im Dünndarm verdaut werden. Dabei handelt es sich um sogenannte Nicht-Stärke-Polysaccharid ( Ballaststoffe), denen auch die Fruktane und Arabinoxylane zugeordnet werden können. Das Schwein besitzt für diese besonderen Kohlenhydrate keine Enzyme, sodass diese nicht gespalten und im Dünndarm absorbiert werden können, so wie es bei den meisten anderen Kohlenhydraten in Futtermitteln üblich ist. Daher gelangen diese Kohlenhydrate nahezu unverändert in den Dickdarm, wo Bakterien diese insbesondere zu Buttersäure (Butyrat) fermentieren.

Dem im Dickdarm gebildeten Butyrat wird eine Vielzahl positiver Effekte nachgesagt. So ist Butyrat für die Ernährung der Darmschleimhautt von Bedeutung und fördert zugleich die Ausreifung bzw. Differenzierung der Darmzellen. Diese Faktoren tragen ihren Teil dazu bei, dass der natürliche Zelltod hinausgezögert wird. Zudem verringert Butyrat das Ausmaß von Entzündungen im Darm und ist in der Lage Immunzellen zu stimulieren. Erwähnenswert ist des Weiteren die bakteriostatische Wirkung von Buttersäure, durch die Bakterien, wie beispielsweise Salmonellen, in ihrer Vermehrung gehemmt werden.

Auch auf die Intensität des Ebergeruchs kann der Roggen mit seinen speziellen Ballaststoffen Einfluss nehmen. Während das Geschlechtshormon Androstenon im Hoden gebildet wird, entsteht Skatol als Abbauprodukt der Aminosäure L-Tryptophan, wenn den Bakterien im Dickdarm keine leichter verfügbaren Energiequellen zur Verfügung stehen. Eben diese benötigten Energiequellen stellt der Roggen in Form von fermentierbaren Kohlenhydraten, wie unter anderem Polyfruktane und Arabinoxylane, zur Verfügung. Tryptophan gelangt aber nicht nur als Bestandteil von Futterkomponenten in das Lumen des Dickdarms, sondern auch über abgestorbene Zellen der Darmschleimhaut. Wie bereits im Vorfeld erwähnt, forciert Butyrat eine verringerte Apoptoserate was in einer reduzierten Menge an Tryptophan für mikrobielle Stoffwechselprozesse resultiert. Somit kann der Einsatz von Roggen in der Ration über mehrere Wege die Skatol- und Ebergeruchbildung mindern und kann somit eine preiswerte Alternative zu Futterzusätzen darstellen, welche beispielsweise Inulin beinhalten. Im Hinblick auf das kommende Verbot der betäubungslosen Kastration und der dadurch stärker in den Fokus rückenden Ebermast ist dies ein Vorteil des Roggens, welcher nicht außer Acht gelassen werden sollte.

Des Weiteren gilt es zu erwähnen, dass Roggen sich durch eine sehr gute Phosphorverdaulichkeit auszeichnet, da die korneigene Phytaseaktivität höher als bei anderen Getreidearten liegt. Wird Roggen in fermentierter Form Schweinen angeboten, so ist die Phosphorverdaulichkeit fast annähernd so hoch wie bei mineralischem Phosphor.

Neben der lokalen Wirkung im Dickdarm kann Butyrat auch systemische (zentrale) Effekte zeigen, wenn die kurzkettige Fettsäure im Dickdarm absorbiert wird und in den Blutkreislauf gelangt. Als ein systemischer Effekt kann das Verhalten aufgezeigt werden, da Butyrat beruhigend wirkt und somit das Wohlbefinden der Tiere positiv beeinflusst, was sich insbesondere bei der Ebermast als vorteilhaft erweisen kann.

Bei der Erstellung von Futtermischungen mit einem hohen Roggenanteil darf jedoch auch die „herkömmliche Rohfaser“ nicht gänzlich ignoriert werden. Rohfaser bindet viel Wasser und sorgt daher für eine zusätzliche Füllung im Gastrointestinaltrakt, was bei Schweinen ein Sättigungsgefühl auslöst. Dieses Sättigungsgefühl hat einen beruhigenden Effekt und sorgt somit für mehr Wohlbefinden der Tiere. Durch den höheren Roggenanteil in Rationen kann sich auch der Futteraufwand gegebenenfalls geringfügig erhöhen aufgrund der höheren Konzentration an Ballaststoffen.

Beim Einsatz von Roggen als Futtermittelkomponente muss allerdings berücksichtigt werden, dass die im Roggen enthaltenen Ballaststoffe nicht bei der Weender Analyse gesondert Beachtung finden, da bei diesem Verfahren lediglich die Rohfaser determiniert wird. Um die tatsächliche Konzentration an Ballaststoffen ermitteln zu können, sind folglich differenziertere Betrachtungen der Kohlenhydrate unerlässlich.

Roggen in der aktuellen Fütterung

Auf die Vorteile des Roggens und seiner speziellen Kohlenhydrate wurde in diesem Bericht bereits umfassend eingegangen. Nun stellt sich jedoch noch die Frage, ob der Roggen auch in der Praxis – insbesondere die Schweinemast – einsetzbar ist und zu gleichen Mastleistungen führen kann wie bereits etablierte Rationskomponenten.

Um dieser Fragestellung nachgehen zu können, wird aktuell noch eine Feldstudie durchgeführt, die Aufschlüsse darüber liefern soll inwiefern Roggen das Potenzial bietet für eine nachhaltige, gesunde und regionale Schweinefütterung unter besonderer Berücksichtigung des Tierwohls.

Die noch bis Sommer 2019 fortlaufende Feldstudie umfasst aktuell insgesamt 18  Betriebe, von denen auch neun unkastrierte Eber mästen. Voraussetzungen für die Teilnahme an der Studie waren mindestens 300 Mastplätze, tägliche Zunahmen von mindestens 800 g und eine betriebsinterne Dokumentation auf QS-Standard. Im Hinblick auf das Fütterungskonzept mussten zusätzlich mehrere Kriterien erfüllt werden: 1.) Das Futter musste groß vermahlen werden, sodass nicht mehr als 20 % der Partikel kleiner als 0,25 mm ausfielen. 2.) In der Vormast (Tiergewicht von 28 – 60 kg) sollte der Roggenanteil in der Ration 20 % und in der Mittelmast (60 – 80 kg) 25 % betragen. 3.) 40 % Roggenanteil in der Endmast (> 80 kg) bei gleichzeitig einem Verhältnis von mindestens 0,75 MJ Lysin zu Energie.

Die vorläufigen Resultate konnten zeigen, dass in den Roggen-basierten Mischungen in der Endmast ein Fruktan-Gehalt von 6,5 % erreicht wurde. In der Testphase wurden tägliche Zunahmen von 917 g pro Tag erzielt, bei einer Futterverwertung von 1:2,72 . Die Tierverluste halbierten sich währenddessen im Vergleich zur Vorlaufphase. Der Anteil positiver Salmonellenbefunde verbesserte sich über einen Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 01.10.2017 bei 11 von 16 beteiligten Betrieben um 35 % in dieser Testphase. Auch der Ebergeruch wurde bei acht von neun Betrieben auf einen prozentualen Anteil von null verringert. Weitere bzw. endgültige Ergebnisse werden nach Abschluss der Feldstudie in diesem Jahr noch erwartet.

Neben der beschriebenen Feldstudie können auch voraussichtlich interessante Erkenntnisse aus dem 6-R-Konzept erwartet werden, welches am 18.07.2018 in Berlin vorgestellt wurde. Dabei steht „6-R“ für den Projekttitel: „Regionale Renaissance von Roggen und Raps zur Reduktion von Problemen in Pflanzenbau und Tierproduktion durch Reevaluation der Inhaltsstoffe und deren gezielte Nutzung zur Förderung des Umwelt,- Tier- und Verbraucherschutzes“. Auch in diesem Projekt soll der Roggen eine zentrale Rolle spielen, da er sich einerseits durch hohe Krankheitsresistenz, gute Stoff-Effizienz, und Toleranz gegenüber extremen Wetterbedingungen auszeichnet, andererseits durch die Bildung von Butyrat positive lokale und systemische Effekte zu erwarten sind. Letzten Endes können roggenbasierte Mischfutterkonzepte, unter der Voraussetzung günstiger Input-/Output-Relationen, eine verbesserte Fütterung im Sinne von Tiergesundheit und des Klimaschutzes herbeiführen.