Unter diesem Titel stand der 26. Rheinische Schweinetag, der am Dienstag letzter Woche parallel in Riswick und Reken stattfand. Auch wenn die sieben Referenten ganz unterschiedliche Schwerpunkte in den Fokus nahmen, die verbindende Klammer war deutlich. Ein „Weiter so wie bisher“ wird es für die Schweinehalter nicht geben, das lassen weder die Gesellschaft noch der Handel zu.
Für die Schweinehaltung bietet der Produktionsstandort Deutschland eine ganze Reihe von Vorteilen und Chancen. Das zeigte Hans-Jörg Eynck vom Schlachtunternehmen Tönnies in seinem Vortrag auf. Das Fleischimperium mit Hauptsitz in Rheda-Wiedenbrück beschäftigt rund 6.500 Mitarbeiter und schlachtet bis zu 25.000 Schweine am Tag. Die Hälfte des von Tönnies produzierten Rind- und Schweinefleisches geht in den Export, erläuterte Eynck. Während die Exportnachfrage weiter zunehme, sei die Nachfrage im Inland rückläufig. Die Schlachtzahlen in Deutschland zeigten in 2019 einen Rückgang um 3,5 %, ebenso „verlieren wir bei den Viehbeständen in allen Segmenten“.
Mit Blick auf die ASP-Situation in Asien hielt Eynck fest, dass das derzeitige hohe Preisniveau dieser Seuchenentwicklung geschuldet sei. Allerdings werde das nicht mittelfristig zu halten sein, denn vor allem China treibe einen enormen Strukturwandel voran und setze alles daran, die eigene Schweinehaltung zu modernisieren und sicherer zu machen. Ein Ausbruch der ASP in Deutschland habe enorme Konsequenzen für den Export, die Einfuhrbedingungen nach China sehen vor, dass Deutschland 12 Monate frei von ASP muss. Ob sich China auf eine Regionalisierung einlassen werde, bleibe abzuwarten.
Zur Entwicklung der Nutztierhaltung in Deutschland zeigte Eynck die Position des Unternehmens Tönnies auf. Favorisiert werde „eine breite Umstellung auf 100 % Haltungsform 2, das Angebot der Haltungsform 3 und 4 über langfristige Verträge“. Der Referent empfahl den Schweinehaltern zu prüfen, welche Tierwohl-Attribute sich in ihren Beständen umsetzen ließen und Erfahrungen damit zu sammeln.
Spanische Strategie
Einblick in die spanische Schweineproduktion lieferte Stefan Leuer, Veredlungsberater bei der Landwirtschaftskammer NRW, mit einem Exkursionsbericht. In Spanien wachsen die Tierbestände enorm, 2018 betrug die Zahl der Schweine 30,8 Mio. und damit gut 3,5 Mio. mehr als in Deutschland. Die Hochburgen der Veredlung liegen im Nordosten Spaniens. Vor allem Großbetriebe mit mehr als 2.800 Sauen beziehungsweise mehr als 7.200 Mastplätzen hätten rasant zugelegt. Fast drei Viertel der spanischen Schweinefleischproduktion läuft in Integrationen, wobei allein die 20 größten Unternehmen den Markt mit fast zwei Drittel Marktanteil beherrschen.
Wie Leuer erläuterte, setze sich das Integrationsmodell weiter durch. Während der Integrator Schweine, Tierarzt, Transport und Futter bereitstellt, hat der Landwirt für Stall, Arbeitserledigung und Gülleentsorgung zu sorgen. Zügige Baugenehmigungen für die Stallanlagen, geringe Baukosten, niedrige Energiekosten zählen zu den Besonderheiten der spanischen Produktion. Auch das Thema Tierwohl spielt hier kaum eine Rolle, genauso wie auch die Frage der Kastration. In der Regel werden die Eber gemästet, allerdings liegen die durchschnittlichen Schlachtgewichte in Spanien mit 86,5 kg auch deutlich niedriger als bei uns. Mittlerweile habe Spanien einen Selbstversorgungsgrad von 172 %, führte Leuer an, deshalb habe der Fleischexport insbesondere in den asiatischen Markt deutlich zugelegt.
Freilaufbuchten mit hohen Ferkelverlusten
Erfahrungen mit verschiedenen Abferkelsystemen im Rahmen des Verbundprojektes InnoPig stellte Dr. Heiko Janssen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vor. Verglichen wurde in dem Projekt, welchen Einfluss verschiedene Abferkel- und Aufzuchtsysteme auf Tierwohl, Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit haben. Dabei ging es um die Gruppenhaltung ferkelführender Sauen, die freie Abferkelung sowie die Abferkelung in der Bucht mit Ferkelschutzkorb. Die überwiegenden Ferkelverluste waren innerhalb der ersten drei Tage nach der Geburt zu verzeichnen. „Hauptursache der Ferkelverluste in den Alternativsystemen war das Erdrücken durch die Sau“, erklärte Janssen.
Die Variante Ferkelschutzkorb habe nicht nur die niedrigsten Saugferkelverluste, sondern auch den höchsten Wurfmassezuwachs gezeigt. Die getesteten Freilaufbuchten hätten sich mit Saugferkelverlusten von mehr als 25 % nicht bewährt, die hohen Verluste seien als tierschutzrelevant zu sehen. „Die getesteten Systeme müssen nachgebessert werden“, hob Janssen hervor. In freier Abferkelung sowie in den Bewegungsbuchten sei nicht das Platzangebot alleine entscheidend, sondern es käme auch auf die Strukturierung der Buchten an. Um die Saugferkelverluste zu senken, sei eine minimale Fixierung der Sau über wenige Tage nach der Geburt zu empfehlen.
Neue Technologie für Überhanggülle
Um Umwelttechnologie zur Vollaufbereitung und Hygienisierung von Gülle ging es in dem Vortrag von Doris Nienhaus, die Geschäftsführerin der NDM Naturwertstoffanlage Nordvelen im Kreis Borken ist. Das 2013 von 90 Landwirten als Gesellschafter gegründete Unternehmen hat im Sommer 2018 den Betrieb aufgenommen und will rund 200.000 m³ Überhanggülle in einem mehrstufigen Prozess zu handelsfähigem Dünger und zu Rohstoffen für die Industrie recyceln. Das 18 Mio. teure Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, Nährstoffmengen in Höhe von 1.200 t N sowie 950 t P2O5 pro Jahr aus dem viehintensiven Kreis Borken auszuschleusen.
Mit Fotos und Videos aus einem Praxisbetrieb machten Ferkelerzeuger Julian Wolters und Kammerberaterin Theresa Rewer die Entwicklungen in einem gewachsenen Ferkelerzeugerbetrieb anschaulich. Wolters betreibt seit 2013 zusammen mit Andreas Fleischmann die Fleischmann-Wolters KG in Goch. Der Betrieb hält 350 Sauen mit Eigenremontierung im 3-Wochen-Rhythmus und bewirtschaftet 1.800 Ferkelaufzuchtplätze. Mit intensivem Wurfausgleich und gezielter Beifütterung werden hohe Absetzgewichte und eine hohe Homogenität der Gruppen erreicht, die Zahl der abgesetzten Ferkel je Sau und Jahr ist im Laufe der letzten Jahre auf 35 angestiegen.
Optimistisch bleiben!
Einen lebhaften und positiven Akzent setzte die junge Schweinemästerin Gesa Langenberg, die in ihrem Vortrag beleuchtete, wie die Schweinehaltung im nächsten Jahrzehnt aussehen könnte. Die 31jährige Agraringenieurin hat vor zwei Jahren den elterlichen Betrieb im Landkreis Diepholz übernommen mit den Schwerpunkten Schweinemast und Ackerbau. Sie warf einen Blick auf die aktuelle Situation und darauf, welche künftigen Herausforderungen die Branche erwarten, um abschließend ihre Vision einer Schweineproduktion im Jahr 2030 aufzuzeigen. „Das Thema Klima gewinnt mehr und mehr an Bedeutung und der Druck auf die Landwirtschaft wächst, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren“, hielt sie fest und wies auf notwendige Maßnahmen hin wie die bodennahe schnelle Ausbringung sowie gasdichte Lagerung der Gülle, die Abluftfilterung und eine ressourceneffiziente Fütterung hin. Klar sei aber auch, dass die Bedürfnisse der Kunden und damit auch die Produktion von Schweinefleisch immer vielfältiger würden. „In vitro und vegetarische Substitute werden bis 2030 das Schweinefleisch aber nicht ersetzen“, zeigte sich die Schweinehalterin überzeugt. Die Schweinehaltung werde sich transformieren und der gesetzliche Mindeststandard werde sich ändern. „Das muss sozialverträglich gestaltet werden, die Existenz der Familienbetriebe darf dabei nicht aufs Spiel gesetzt werden“, so Langenbergs Appell an die Politik.
Christiane Närmann-Bockholt, LZ Rheinland