So viel muss ein Mastschwein kosten


Bei Erlösen von um die 1,40 Euro/kg Schlachtgewicht lässt sich mit Schweinen kein Geld verdienen. Nötig wären über 2 Euro/kg, wie unsere Vollkostenkalkulation zeigt.

Als Verbraucher kennt man das. Jede Woche, meist zum Wochenende hin, steckt eine Flut von Werbeprospekten des Lebensmitteleinzelhandels im Briefkasten, die leckeres Schweinefleisch zum günstigsten Preis versprechen. Perspektivwechsel zum Landwirt: Unwillkürlich tritt die Frage auf, wie viel er in sein Mastschwein investieren muss – und das nicht nur finanziell betrachtet –, um seinen Betrieb aufrechterhalten zu können? Vorweg: Die gegenwärtige Marktsituation ist für die Schweinehalter alles andere als rosig und es ist keine Entspannung in Sicht. Trotz eines weiter optimierten Managements, verbunden mit höheren Leistungen, einer stabilen Tiergesundheit und geringen Verlusten, sind die Unternehmergewinne weiter gesunken. Die Betriebszweigauswertungen und Ergebnisanalysen von Erzeugerringen und Vermarktungsorganisationen sprechen hier eine klare Sprache. Aktuell verbuchen die Mäster noch nicht einmal eine schwarze Null, sondern legen Geld dazu.

 

Tiefer Fall von 2,02 auf 1,19 Euro

Wie sieht es konkret mit der Wirtschaftlichkeit in der Schweinemast aus? Betrachten wir zunächst das letzte Jahr, das infolge von Corona und später der Afrikanischen Schweinepest (ASP) von einem beispiellosen Preissturz geprägt war. Die Grafik „Schweinepreise im freien Fall“ zeigt die Preisverläufe bei Ferkeln und Mastschweinen von März bis Dezember 2020. Bei den Ferkeln ist die 30-kg-Notierung der Schweinevermarktung Rheinland (SVR) und bei den Mastschweinen die Preisnotierung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) zugrunde gelegt, damit die Schlachterlöse repräsentativ sind. Der Ferkelpreis lag Anfang März 2020 bei 92,50 Euro und fiel dann kontinuierlich auf 33 Euro im Dezember 2020. Zeitgleich sind die Erlöse für Mastschweine von 2,02 auf 1,19 Euro/kg Schlachtgewicht gefallen, ein historisches Tief. Damit sank der Ertrag für ein 95 kg schweres Schwein (Schlachtgewicht) innerhalb eines Jahres von 194 auf 115 Euro. Das sind fast 80 Euro weniger pro Tier, die die Betriebe verkraften mussten. Die Differenz zwischen Schlachterlös und Ferkeleinkaufspreis betrug in diesem Zeitraum im Durchschnitt 89 Euro. Der Ferkelpreis von 33 Euro reichte noch nicht einmal aus, um die Futterkosten je Sau und Ferkel zu begleichen. Bei jedem Ferkel wurde richtig Geld zugelegt. An dieser prekären Situation hat sich auch in diesem Jahr nur wenig geändert. Nach einer zwischenzeitlichen Preiserholung bis auf 1,50 Euro/kg Schlachtgewicht ging es ab Mitte Juli wieder abwärts auf rund 1,40 Euro/kg. Auch die Ferkel rutschten wieder unter die 40-Euro-Marke.

 

Mit Vollkosten kalkulieren

Wie viel muss heute aber ein Mastschwein kosten, damit der Landwirt überleben kann? Eine Methode, um die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Betriebszweigs zu untersuchen, Stärken und Schwächen zu analysieren und Letztere abzustellen, ist die Vollkostenkalkulation. Im Ergebnis soll sich zeigen, welchen Erlös ein Schwein gegenwärtig bringen muss, um damit Geld verdienen zu können. In der Tabelle „So sehen die Vollkosten in der Schweinemast aus“ mit Grafik sind anhand eines repräsentativen Beispiels die einzelnen Kostenpositionen monetär und prozentual dargestellt. Im Folgenden werden die einzelnen Punkte genauer aufgeschlüsselt.

 

1. Futter- und Ferkelkosten: Zurzeit explodieren die Futterkosten. Die Preise liegen bei etwa 30 Euro/dt. Das sind fast 6 Euro mehr als im Vorjahr. Dadurch verteuern sich die Futterkosten um 15 Euro pro Mastschwein, wenn keine oder nicht ausreichend langfristige Verträge mit Festpreis vorliegen. Aktuell bucht jeder Betrieb gut 72 Euro pro Tier an Futterkosten. Bei den kalkulierten Ferkelvollkosten, wie sie für etliche Betriebe gelten, kann mit mindestens 80 Euro gerechnet werden.

2. Stallplatz und sonstige variable Kosten: Bei einem Kapitalaufwand je Mastplatz von 700 Euro und 2,8 Umtrieben, Aufwand für Abschreibung (AfA), 1 Prozent Reparatur, 3 Prozent Zinssatz plus Versicherung ergeben sich Kapitalkosten von 21 Euro pro Mastschwein. Die Kosten für Wasser, Energie und Beiträge sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen und müssen mit mindestens 7 Euro berücksichtigt werden. Für das Ausbringen der Gülle (10 Euro x 0,5 m³) sollte man 5 Euro pro Mastschwein ansetzen.

3. Arbeitskosten: Die Betriebe sind in den letzten Jahren ständig gewachsen. Neben moderner Technik (zum Beispiel Klimacomputer und automatisierte Fütterungssysteme) spielt die Tierbeobachtung eine zunehmende Rolle. Die vielfältigen Aufgaben übernehmen in den größeren Betrieben neben dem Betriebsleiter/Landwirt, für den heute ein Lohnansatz von mindestens 30 bis 40 Euro/h anzusetzen ist, auch weitere landwirtschaftliche Unterstützungskräfte (18,50 Euro/h). Bei etwa 20 Minuten Arbeitszeit pro Tier ergeben sich Arbeitskosten von rund 10 Euro pro Mastschwein.

4. Tierwohlkosten: Laut neuer Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung muss ab August 2021 allen Schweinen organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial angeboten werden. Dies verursacht zusätzliche Kosten von 3 bis 7 Euro je Mastschwein, im Schnitt also 5 Euro.

5. Gewinn: Bei aller Liebe zur Schweinemast sollten nicht nur die Kosten angesetzt werden. In der Betriebsrechnung muss auch ein Unternehmergewinn bedacht werden. In dieser Kalkulation sind hierfür 7 Euro pro Mastschwein zugrunde gelegt.

Die genannten Zahlen offenbaren: Aktuell belaufen sich die Vollkosten pro Mastschwein auf etwa 210 Euro. Bezogen auf 96 kg Schlachtgewicht entspricht dies 2,19 Euro/kg. Dagegen wurden am Markt im Juli 2021 für ein Schlachtschwein nur 1,42 Euro/kg notiert – das sind 0,77 Euro/kg Schlachtgewicht weniger.

 

 

Über 200 Euro pro Tier benötigt

Bei jedem verkauften Mastschwein legt der Landwirt damit Geld dazu, statt es zu verdienen. Konkret fehlen dem Betrieb in der Endrechnung also gut 74 Euro pro Tier. Dabei haben die Schweinehalter in den letzten Jahren immer mehr Engagement, Geld und Zeit eingesetzt, um unter anderem die Hygiene, das Stallklima die Tiergesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern. Viele haben sich auch auf den Weg gemacht, bei der Initiative Tierwohl mitzumachen: weil sie ihre Tiere lieben und ihre Arbeit mit Herzblut und Leidenschaft machen und weil sie auch in schwierigen Zeiten die Menschen mit regionalen und qualitativ hochwertigen Produkten ernähren wollen. All dies wird zurzeit nicht belohnt. Im Gegenteil: Ferkelerzeuger und Mäster müssen sogar Geld für ihre verkauften Schweine zuschießen. Wunsch wäre, dass alle in der Produktionskette – also auch die Schweinehalter – für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Das heißt, dass sie davon leben können! Auch Landwirte sind Unternehmer und müssen Gewinne erwirtschaften, sonst bleiben in Zukunft die Schlachthaken leer. Die Schweine kommen dann aus dem Ausland, wo das Tierwohl noch eine untergeordnete Rolle spielt. (br)

 

Quelle: agrarheute Schwein www.agrarheute.com Ausgabe 09/2021