Wie Schweine richtig beschäftigen?


Ab August dieses Jahres muss jedem Schwein rund um die Uhr organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stehen. So sieht es die novellierte Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung neben weiteren Neuregelungen vor. Welche Neuregelungen auf die Sauen- und Mastschweinehalter zukommen und wie gangbare Lösungen in die Praxis umgesetzt werden können, war vergangene Woche Thema eines Online-Seminars der Erzeugerringe in Nordrhein-Westfalen.

Praktische Umsetzungsbeispiele für das Anbieten von Raufutter, effektiver Einsatz von unterschiedlichem Beschäftigungsmaterial und bauliche Lösungen im Abferkelstall, Deckzentrum, Warte- und Maststall: Das Themenspektrum des Webinars war breit gefächert und spiegelte die Herausforderungen bei der Umsetzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) deutlich wider. Wie Dr. Frank Greshake, Geschäftsführer der Viehvermarktung Rheinland und Moderator der Veranstaltung, betonte, hätten die nordrhein-westfälischen Erzeugerringe ihre Zusammenarbeit intensiviert und beschlossen, ein gemeinsames Online-Seminar zu veranstalten. Weniger einheitlich zeigten sich die Gespräche zwischen Vertretern der staatlichen Tier-SchNutztV und der Initiative Tierwohl (ITW 3.0). „Wir hätten uns gewünscht, dass wir Ihnen heute ein greifbares Ergebnis in Sachen Raufutter und Beschäftigungsmaterial präsentieren können. Leider ist hier noch keine Entscheidung gefallen“, bedauerte Greshake. Während die TierSchNutztV die Bereitstellung von organischem und faserreichem Beschäftigungsmaterial wie beispielsweise Stroh, Heu oder Sägespänen vorsieht, verlangt die ITW, dass Raufutter zusätzlich und separat zum gesetzlich geforderten Beschäftigungsmaterial vorzulegen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass die Landwirte gesetzlich verpflichtet sind, die Neuerungen zum Beschäftigungsmaterial bis August dieses Jahres praktisch umzusetzen und bauliche Veränderungen im Stall notwendig werden können, eine prekäre Situation.
Einen detaillierten Überblick über die weiteren Novellierungen, die die TierSchNutztV mit sich bringt, gab Bernhard Feller, Landwirtschaftskammer NRW. Praxisnah und praxistauglich wies er sowohl auf Hürden als auch auf Lösungsmöglichkeiten hin.


▶ Raufuttertechnik in der Praxis

Ebenfalls 1:1 umsetzbar waren die Beispiele zur Raufuttervorlage von Sebastian Husemann, Erzeugerring Westfalen. Der Referent verwies gleich zu Beginn seines Vortrags auf eine weitere rechtlich ungeklärte Sachlage. „Naturbelassenes Weichholz, das bekaubar ist, sich in seiner Struktur verändert und beim Bebeißen durch die Schweine nicht splittert, wird als organisches, faserreiches Beschäftigungsmaterial wie Stroh oder Heu von einigen Veterinärämtern anerkannt, aber nicht von allen.“ Als weitere Alternativen nannte Husemann Seile aus Naturfaser, Faserstangen und –pellets.


▶ Der beste Platz

Bei der Anbringung des Raufutter-Spenders, meist handelt es sich um Raufen oder Automaten, scheiden der Ruhe- und Kotbereich sowie Treibwege und unisolierte Außenwände, an denen sich im Winter Kondenswasser bildet, aus. Pellet-Automaten werden auf folgenden Höhen angebracht, jeweils vom Boden aus gemessen:

● Ferkelaufzucht: 10 cm
● Mast: 20 bis 30 cm
● Sauen: 20 bis 30 cm

Für Stroh-Automaten bietet sich die Platzierung mittig in der Bucht oder das Befestigen an der Trennwand an, wobei eine Bodenplatte dafür sorgt, dass die Schweine in dem herausfallenden Heu oder Stroh wühlen können. „Einige Landwirte installieren die Raufen oberhalb des Trogs in der Nähe
der Versorgungseinrichtung, sodass später ein mechanisches Befüllen über die Versorgungstechnik möglich ist“, nannte der Referent eine weitere Variante. Um den Arbeitsaufwand beim Befüllen der Automaten oder Raufen in Grenzen zu halten, werden diese zweckmäßigerweise so in der Bucht angebracht, dass vom Kontrollgang aus nachgefüllt werden kann. Bei Großgruppen bewährt sich die separate Befüllung von oben mittels Rohrförderanlage.


▶ Viel ist nicht immer gut

Bei Raufen ist der Stababstand entscheidend für den Raufutterverbrauch. „Ein hoher Durchsatz ist in Gruppen mit Schwanzbeiß-Problematik von Vorteil, da das Raufutter bei den Tieren für Abwechslung und Beschäftigung sorgt. Kehrseite der Medaille sind bei viel Stroh Schwierigkeiten mit der Gülletechnik“, griff der Experte ein im wahrsten Sinne des Wortes grundlegendes Problem auf. Abhilfe schaffen Gittereinsätze in der Raufe, die auch kürzer geschnittenes Stroh feiner dosieren. Bei Automaten lässt sich die Dosiermenge über Schieber regulieren und an die Struktur des Raufutters anpassen. Versuche mit Rübenpellets und Haferschälkleie hätten gezeigt, dass diese zum Verkleben, Klumpen oder Quellen neigen und daher für Futterautomaten weniger geeignet scheinen.
„Es geht nicht nur darum, welches Produkt Sie als Sauen- oder Mastschweinehalter als Raufutter einsetzen, sondern auch, woher die Ware stammt. Achten Sie darauf, dass das Raufutter frei von Toxinen ist, und behalten Sie mögliche Infektionswege der Afrikanischen Schweinepest im Auge“, schloss Husemann.


▶ Fazit

In der anschließenden Diskussion konnten viele Fragen aus den Reihen der Online-Teilnehmer direkt von den Referenten beantwortet und praktische Erfahrungen ausgetauscht werden. Zum einen zeigen die hohe Beteiligung an der Veranstaltung und die gezielten Fragen der Sauen- und Mastschweinehalter, dass Beratungsbedarf besteht. Zum anderen wird deutlich, dass sich die Landwirte auf den Weg gemacht haben, um die in der TierSchNutztV geforderten Vorgaben in puncto Raufutter und Beschäftigungsmaterial fristgerecht umzusetzen. Jetzt sind der Gesetzgeber und die ITW gefordert, verbindliche Kriterien festzulegen. mfw

Quelle: LZ Rheinland Ausgabe 18/2021 S. 32-33 Foto: Maria Forstreuter-Wick