Wie schwer jetzt mästen?


Die Schweinepreise sind deutlich gestiegen. Zugleich haben die Futterkosten Rekordwerte erreicht. Jetzt gilt es genau zu prüfen, wie schwer man mästet.

Die heimischen Schweinehalter erleben zurzeit eine echte Achterbahnfahrt der Gefühle: Nach monatelangen, katastrophalen Tiefstpreisen für Ferkel und Schlachtschweine sind die Notierungen zuletzt regelrecht explodiert und haben bis Redaktionsschluss dieser Wochenblattausgabe ein Niveau von 1,85 €/kg Schlachtgewicht (SG) bzw. 58 € je 25-kg-Ferkel erreicht – und weitere Preissprünge sind zumindest zu erwarten! Gleichzeitig kämpfen die Betriebe seit Monaten mit ständig steigenden Kosten. So sind die Preise für Schweinefutter seit Beginn des Ukrainekrieges nochmals deutlich gestiegen. Sie bewegen sich in bislang unbekannten Sphären, wenn für Futtergetreide in den Veredlungsregionen aktuell bereits Preise zwischen 35 und zum Teil mehr als 40 €/dt aufgerufen werden. Eiweißträger sind ebenfalls knapp und teuer. Und auch die Energie- und allgemeinen Produktionskosten kennen nur eine Richtung: Aufwärts.

Passen die Gewichte?

In dieser Situation sind die Schweinehalter gut beraten, alle Kostenpositionen zu hinterfragen. Weil die Futterwertung der Tiere zum Mastende hin schlechter wird, gehört insbesondere das Verkaufsgewicht der Tiere auf den Prüfstand. Es gilt, das betrieblich optimale Schlachtgewicht zu finden. In den Mitgliedsbetrieben des Rheinischen Erzeugerringes für Mastschweine (REMS) beispielsweise ist das Schlachtgewicht in den vergangenen zehn Jahren von 92,5 auf 96,2 kg SG gestiegen. Unter den bisherigen Preisrelationen für Ferkel, Futter und Schlachtschweine mag das richtig gewesen sein. Unter den aktuellen Gegebenheiten muss das optimale Endgewicht jedoch dringend neu ermittelt werden, wobei die Autofom- Abrechnungssystematik natürlich eine entscheidende Rolle spielt. Hier hat neben dem Mastschweinetyp (Fleisch- bzw. Schinkenausprägung) vor allem das Endgewicht großen Einfluss auf die wertbestimmenden Schlachtkörper-Teilstücke und damit auf die Bezahlung des Schweines. Dabei darf das Schlachtgewicht nicht isoliert betrachtet werden. Es ist ein Ergebnis eines optimalen Zusammenspiels von Genetik, Fütterung , Zunahmeverlauf, Gesundheitsmangement und Sortierung beim Verkauf. Bei einem Schwein mit 108 kg SG kann beispielsweise allein das Überschreiten der SG-Systemgrenze je nach Abrechnungsmaske zu Abzügen von 3,50 bis 5 € führen. Hinzu kommen noch Mindererlöse für zu schwere Schinken und zu hohe Lachsgewichte. In der Summe sind das dann schnell mehr als 15 € Mindererlös pro Schwein. Und: Bei guten Schweinepreisen ergeben sich durch die Multiplikation der Indexpunkte mit dem Basispreis bzw. Preisfaktor höhere Abzüge, als niedrigen Basispreisen. So liegen die Erlösabzüge für ein 105-kg-Schwein bei einem Niveau von 1,20 €/kg im Mittel irgendwo bei 5,50 €. Das selbe Schwein verliert bei einem Basispreis von 1,85 € stolze 8,50 € – also zusätzlich 3 €!

Wo liegt das Optimum?

Deshalb stellt sich aktuell die Frage, bis zu welchem Gewicht die Mastschweine für den bestmöglichen Verkaufserlös gemästet werden sollten. Um diese zu beantworten, wurden die Daten von 50 000 Schlachtkörpern des Portals „Schlachtdatenonline“ als Berechnungsgrundlage genutzt. Um die momentane Situation möglichst genau abzubilden, wurden einige Annahmen getroffen – wohl wissend, dass sich die Werte regelmäßig ändern. Insofern ist die Berechnung und damit auch die grafische Übersicht als richtungsweisende Stichtagsbetrachtung zu verstehen. Unter anderem haben wir mit folgenden Eckwerten kalkuliert:

■ Preisfaktor der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) vom 16. – 23. März = 1,85 €/Indexpunkt
■ VEZG-Ferkelnotierung vom 18. März (58 € pro 25-kg-Ferkel) plus praxisübliche Zuschläge für Gewicht, Schutzimpfungen, Kastration unter Betäubung usw.; ein 30-kg-Ferkel kostet frei Stall damit zurzeit rund 78,50 €.
■ Mittlerer Futterpreis als Mischkalkulation aus vorhandenen Vorräten bzw. Kontrakten und tagesaktuell zu besorgenden Zukaufkomponenten = 35,80 €/dt
■ Mittlere Tageszunahmen von 850 g und ein durchschnittlicher Futteraufwand je kg Zuwachs imvMastverlauf = 2,8 kg , wobei berücksichtigt ist, dass die Futterverwertung mit steigendem Lebendgewicht zunehmend schlechter wird und die Tageszunahmen ab etwa 100 kg SG zurückgehen, wie Auswertungen des REMS zeigen
■ Andere Kostenpositionen bzw. -faktoren wurden zur Vereinfachung außen vor gelassen. Man könnte natürlich für Tierarzt, Strom, Versicherungen usw. pauschal 7 bis 10 € ansetzen. Das würde die Gesamtkosten erhöhen, aber die grundsätzlichen Zusammenhänge nicht beeinflussen. Von der Erlösdifferenz kann man sie allerdings rechnerisch einfach abziehen. Dann wird offenkundig, dass mit der Schweinehaltung derzeit auch bei 1,85 €/kg kein Geld verdient wird – dabei sind Arbeit, Stallabschreibung und anderes noch nicht einmal in Ansatz gebracht worden.

92 bis 94 kg wären optimal

Ein Blick auf unsere Übersicht mit den beiden Kurven und die als Säulen abgebildete Erlösdifferenzen zeigt, wo das optimale Schlachtgewicht unter aktuellen Bedingungen liegt: Im Bereich von 92 bis 94 kg! Abweichende Schlachtgewichte sowohl nach unten, als auch nach oben beeinflussen die Wirtschaftlichkeit bei Autofom-Preismaskenbezahlung deutlich negativer als bei dem FOM-Klassifizierung und Bezahlung. Neben der Einhaltung des optimalen Gewichtsbereiches ist vor allem die Streuung in den Endgewichten zu verringern. Angesichts dieser Zahlen sollten schlachtreife Schweine aus Kostengründen möglichst leichter als mit den oben genannten 96,2 kg SG vermarktet werden. Gleichzeitig muss selbstverständlich die aktuelle Preisentwicklung im Auge behalten werden: Bei Preissprüngen wie zuletzt von 10 Cent und mehr je kg und Woche kann es sich natürlich im Einzelfall lohnen, die Tiere noch ein wenig zurück zuhalten. Dabei sollte sich allerdings jeder Mäster fragen, wie viel Geld er durch ein eventuelles „Herauswachsen“ aus der Abrechnungsmaske verliert und zudem bedenken, dass die Ferkel für den nächsten Mastdurchgang ebenfalls jeden Tag knapper und teurer werden. Und es ist auch nicht sicher, dass der Schweinepreis jetzt wöchentlich weiter steigt. Weil es zudem kein Optimalgewicht für alle Betriebe gibt, hilft letztlich nur eine Entscheidung auf der Basis einzelbetrieblichen Daten – möglichst mit Rechenunterstützung durch den „Berater des Vertrauens“.

Quelle: Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Ausgabe 12/2022, S. 44-45,  Johannes Hilgers Rheinischer Erzeugerring für Mastschweine e.V.